Imitation von Kabelbahnen
Beim
Modellbau bereitet mir die vorbildgetreue Nachbildung besonders auch der
kleineren Details große Freude und bringt ständig Erfolgserlebnisse. Dabei achte
ich darauf, daß die jeweiligen Teile nie überdimensioniert werden. Nach dem
Modellplan oder nach vorhandenen Fotos (in den meisten Fällen) versuche ich die
Originalmaße zu ermitteln und diese in den Modellmaßstab umzurechnen. Bei der
Herstellung der Details halte ich diese Maße dann auf Zehntel-mm genau ein. Das
Ergebnis dieses Arbeitens sind Modelle, die man (selbst) gern anschaut;
Beispiel: Kabelbahnen
(kleine Fotos anklicken) an der Radar-Antenne vom
E-Meßstand meines WWII-Zerstörers USS CASSIN YOUNG in 1:50.
Ein schönes Beispiel für
Detail-Modellbau sind u.a. auch Kabelbahnen und die Bord-Elektrik, welche ich
beim Bau meines Zerstörer-Modells im relativ großen Maßstab 1:50 weitgehend mit
baue.
Grundvoraussetzung ist, wie stets in solchen Fällen, daß man weiß, wie die Dinge
eigentlich aussehen. Dazu sind Detail-Fotos die wichtigste Grundlage. Noch besser ist es, wenn man
auch Sinn und Funktion kennt.
Kabelbahnen werden z.B. an den Deckshäusern usw. mit ihren Halteschellen nicht
einfach an die betreffende Wand geschraubt, sondern auf angeschweißte „Brücken“
etwas erhöht. Auch Schalter, Lampen, Verteilerdosen usw. werden auf Brücken,
Platten oder Stützen etwas erhöht angebaut (Beispiele in Abb. 1
,
2
und 3
).
Das hat den Sinn, daß man die Deckshaus-Wand für die nötigen Gewindebohrungen
nicht durchbohren muß. Man will damit Undichtheiten vermeiden (das Schiff liegt
im Verschluß-Zustand z.B. auf der Seite).
Für die zahlreichen Kabelbahnen am
Modell habe ich frühzeitig begonnen, größere Stückzahlen der genannten Brücken
aus Blechstreifen herzustellen. Diese schneide ich aus 0,15-mm-Messing-Blech mit
der „frisierten“ Fotoschere (Abb. 4
)
0,8 mm breit. Nach dem Schneiden sind die Streifen immer verbogen. An beide
Enden biege ich Doppelungen an. Eine Seite wird im Schraubstock gespannt, die
andere mit einer Zange gehalten. So kann man den Blechstreifen (nicht zu hartes
Blech) mit einem kurzen Ruck streck-richten (geht auch mit Draht!)(Abb. 5
).
An ein Stück Messing wird ein Rechteck gefräst und die auf gleiche Länge
(eingestelltes Tiefenmaß vom Meßschieber) geschnittenen Blechstreifen C-förmig gebogen (Abb. 6
). In kurzer Zeit
hat man viele hergestellt (Abb. 7
). Ein Teil davon
wird z.B. sofort an vorbereitete Schalter-Dosen gelötet (Abb. 8
).
Für kürzere Brücken gibt es ein weiteres Biegewerkzeug (Abb. 9
). Ich habe solche
Brücken auch schon nur U-förmig gebogen. Doch diese muß man stumpf ankleben –
nicht so günstig.
Ich möchte nun beispielhaft
beschreiben, wie ich die Kabelbahnen an der Hinterkante vom Pfahlmast des
Zerstörers angebracht habe. Der Mast hat im unteren Bereich einen Ø 10. Deshalb
habe ich die C-Brücken mit einer feinen Justierzange gefasst und die inneren
Ende noch etwas nach innen gebogen (Abb. 10 ganz rechts
).
Die Brücken wurden dann in gleichen Abständen mit winzigen Tropfen UV-Kleber an
den Klebefahnen auf den liegenden (!) Mast gesetzt (Abb. 11
).
Vor der „Beleuchtung“ mit UV-Licht habe ich sie waagerecht ausgerichtet
(Wasserwaage).
Die eigentlichen Kabel mache ich
nicht etwa aus zurechtgebogenen Drähten. Das wäre viel zu aufwendig und
kompliziert, zu fehlerbehaftet. Ich verwende dünne Gummischnüre. Die beste
Quelle dafür sind „Drähte“ für Oberleitungen, welche man im Handel für
Eisenbahn-Modellbau kaufen kann (Abb. 12 Mitte
).
Sie haben einen gemessenen Ø 0,45 mm. Für Anschlüsse, Decks-Durchführungen usw.
bohrt man am besten Ø 0,5. So lassen sie sich gut einstecken. Auch die allseits
bekannten Spanngurte (links), die es in jedem Baumarkt gibt, enthalten im
Inneren diverse Gummifäden. Auch elastische Schnüre (rechts), bei denen man es
nicht auf den ersten Blick vermutet, haben Gummifäden – wenn man mit einer
spitzen Nagelschere die Textil-Ummantelung (etwas mühselig) längs aufschneidet.
Alle Geräte, Lampen, jede Antenne
usw. erhielten zuerst eine kleine Kabel-Anschlußdose (Abb. 13
)
mit der besagten 0,5-mm-Bohrung (Herstellung,
mein Buch (1)). Diese Teile sind 3 mm lang, die
Bohrung reicht aber nur bis 2,5 mm Tiefe. Ich will nicht, daß beim Ankleben
Kleber von hinten in die Bohrung eintritt. Zuerst wird ein ausreichend langer
Gummifaden in die Bohrung gesteckt und mit Sekundenkleber befestigt (richtiger
Umgang mit Sekundenkleber, mein
Buch (2)). Dann wird der Faden über alle Brücken hinweg nach unten
geführt. Er wird stets mit Sekundenkleber befestigt, dabei sollte er auch leicht
gestrafft werden. In Abb. 14
habe ich den oberen Teil vom Mast mit dem Bereich um die Rah fotografiert. Man
erkennt deutlich die schwarzen Kabel-Schnüre. Und Abb. 15
zeigt den am Mast nach unten geführten Kabelstrang.
Anschließend habe ich zur
Darstellung der Schellen 0,6 mm breite Papier-Streifen geschnitten (Abb. 16
).
Sie wurden zuerst in Höhe der Brücken mit Sekundenkleber quer auf die
Gummi-Bündel geklebt (Abb. 17
),
auch das wieder beim Liegen des Mastes. Nach Trocknung des Klebers habe ich
beide überstehenden Enden mit einer Reißnadel unter Kleberzugabe in die Ecken
gedrückt (Abb. 18
).
Es kann vorkommen, daß die Reißnadelspitze dabei mit angeklebt wird
(Sekundenkleber). Man dreht sie, erst dann nimmt man sie weg. Sonst kann es
sein, daß die Papierstreifen - und die Brücke - weggerissen werden. Abb. 19
:
Die Schellen-„Blechstreifen“ sind angebracht. Ich hatte etwas Furcht vor dieser
Arbeit. Ich erlebe es oft, daß die Arbeit nicht soooo „kriminell“ ist – wenn man
sie schließlich mutig macht.
Um die zwölf Kabel unten auf der
Maststütze am Deckshaus in einem „Kasten“ vor der Lackierung und vor der
Endmontage zusammenzuführen, fräse ich aus Alu eine Stützen-Attrappe (einen
Dummy)(Abb. 20
).
Zuerst bekommt dieser Klotz eine 10-mm-Durchgangsbohrung (Mast-Durchmesser) und
ein M3-Gewinde, um ihn in entsprechender Höhe am Mast klemmen zu können. Dann
wird er im Schraubstock 5° schrägliegend (Winkel-Endmaße, Fa. WABECO) gespannt
und die obere Fläche eben gefräst. Er erhält auch eine 0,4 mm hohe Stufe wie bei
der tatsächlichen Stütze am Deckshaus. Der Mast steht 5° nach hinten geneigt
(Mastfall) auf dem Modell. Auch der schon vorhandene Ring wird auf den Alu-Klotz
geklebt. Die im Bild zu sehenden Einfräsungen am Ring-Rand stammen von einer
anderen Arbeit. In Abb. 21
habe ich den Dummy in der richtigen Höhe am Mast geklemmt.
Nun fräse ich aus Messing den
Kasten (Abb. 22
).
Er erhält per Koordinaten-Bohren zwölf 1,05-mm-Bohrungen. Die Bohrungsmitten
müssen je dreimal angefahren werden: zentrieren, vor- und fertigbohren. Deshalb
liegt auf dem Frästisch neben der Arbeit eine Handskizze mit den
Skalen-Anfahrwerten für beide Supporte (Abb. 23
).
So muß ich die Kurbel-Umdrehungen für jeden Lochabstand nicht ständig neu
auszählen. In der Mitte wird noch eine 0,8-mm-Durchgangsbohrung gebohrt und dort
ein 0,8-mm-Draht eingelötet (Abb. 24
).
Zuvor wurde diese Mittenbohrung in den Dummy an der Stelle abgebohrt, wo der
Kasten sitzen soll (Abb. 25
).
Zwölf Buchsen (aus einem Vorrat) werden mit 2K-Kleber eingeklebt (Abb. 26
).
Mit einer C-Klammer halte ich nun
den Kasten am Alu-Dummy. Er kann wegen dem Stift nicht verrutschen. So werden
die ersten Kabel abgeschnitten, eingesteckt und mit Sekundenkleber festgehalten
(Abb. 27
).
Auch untereinander verklebe ich die Kabel mit feinsten Kleber-Aufträgen. Dadurch
wird das Kabelbündel immer starrer und die C-Klammer kann bald weggenommen
werden. Der Kasten ändert dann seine Lage nicht mehr. Die Abb. 28
zeigt nun die Ansicht von Backbord. Die Klammer ist weggenommen, alle Kabel sind
eingeklebt. Über dem "Kasten" erkennt man den vierkantigen Hohlleiter vom
Radargerät. Bei Abb. 29
ist nun schon der Klotz gelöst und nach unten weggezogen. Der Stift wird nicht
mehr benötigt und kann abgeschnitten werden. Bei Abb. 30
ist der Mast mit den unteren Kabelenden in das echte Modell gesteckt. An der
Stelle wo der Kasten bei der Endmontage angeklebt wird, werde ich von der Stütze
die graue Farbe entfernen. Auch der Vierkant-Hohlleiter bekommt noch einen „Anschluß“
zum ozeanblauen Deck hinter dem Kasten für Pyro-Technik. In Abb. 31
ist der Kabel-Anschluß für einen Morse-Scheinwerfer zu sehen. In Abb. 32
sind mehrere Kabelbahnen und Elektrik auf erhöhten Platten am hinteren Kamin zu
sehen. In der Mitte vorn ein Kompaßstand mit den beiden farbigen D-Kugeln aus
Metall und vorn die sog. Flinderstange - und an den Seiten Lenksäulen zur
Fernsteuerung der 40-mm-BOFORS-Zwillinge. Auch zur Imitation von dünnen
Rohrleitungen habe ich die Gummi-Schnüre schon verwendet, Ventile in Abb. 33
.
Für den winzigen Ventil-Grundkörper gibt es einen Form-Stechstahl – natürlich,
wie sonst?
Jürgen Eichardt
Literatur:
- (1) Jürgen Eichardt, „Fräsen mit der Drehmaschine“, VTH-Verlag, 1998, ISBN 3-88180-099-9, 131 Seiten, € 14,80
- (2) Jürgen Eichardt, „Rumpfbaupraxis“, nur noch bei mir als „E-Book“ auf CD-ROM erhältlich, Best.-Nr. cd047, € 20,-
Abb. 1: Der „Kabelbaum“ ist an Brücken geschraubt. Selbst der Lautsprecher hängt an einer solchen.
Abb. 2: Hier trägt eine Platte mehrere Teile der Bord-Elektrik, auch die Lampe steht auf drei Füßen.
Abb. 3: Selbst ein Kabel ist auf vier Brücken gelagert. Unten erkennt man die Decks-Durchführungsbuchse.
Abb. 4: Diese Schere und ihr sinnvoller Aufbau ist aus div. Veröffentlichungen von mir bereits bekannt.
Abb. 5: Mit der Schere habe ich schon 0,3 mm breite Streifen geschnitten – exakt parallel.
Abb. 6: Das Rechteck ist 1,2 x 5,2 mm groß. Beim Biegen drücke ich an der Kante bei (a) mit einem Flachstahl.
Abb. 7: Einer sieht aus, wie der andere heißt…
Abb. 8: Solche Teile stelle ich immer „auf Vorrat“ in größeren Mengen her.
Abb. 9: Rechts liegt der noch gestreckte Streifen.
Abb. 10: Die Blechstreifen sind 0,8 mm breit.
Abb. 11: Alle (!) Teile im Bild sind aus Messing, der Mast jedoch hohl gedreht.
Abb. 12: Die Spanngurte sind für unsere Zwecke lang genug.
Abb. 13: Teile gedreht und gefräst, dann abgestochen.
Abb. 14: Die Gläser mehrerer Lampen fehlen hier vor der Lackierung noch. Der Bau der Strickleiter: hier und folgende.
Abb. 15: Unten sind die Kabel noch ein loses Bündel.
Abb. 16: Die Streifen sind über die gesamte Länge exakt gleich breit.
Abb. 17: Mit seinem 10-mm-Fuß ist der Mast bei dieser Arbeit auf der Werkbank in einem schwenkbaren Schraubstock waagerecht geklemmt.
Abb. 18: Die andere Seite anschließend. Mit Sekundenkleber kann man zügig arbeiten, wenn es auf keine große Haltekraft ankommt.
Abb. 19: Kabelschellen sind gelungen. Ich freue mich schon auf die Spritz-Lackierung.
Abb. 20: Auch die Breite der oberen Fläche entspricht der Breite am Modell.
Abb. 21: Ansicht von Steuerbord. Das Vierkantrohr ist der Radar-Hohlleiter, der bis hinauf zum Radargerät führt (vgl. Abb. 14 und 15).
Abb. 22: Im Bild werden die 0,85-mm-Bohrungen aufgebohrt. Danach wird er mit einer Metall-Kreissäge auf 2,5 mm Höhe abgesägt.
Abb. 23: Man will sich die vielen Zahlen nicht merken. Der Kasten ist übrigens nur 10,3 x 4,3 mm groß.
Abb. 24: Zwölf Buchsen mit 0,5-mm-Bohrungen werden gedreht.
Abb. 25: Der Kasten steht etwas in der Fläche, nicht am Rand.
Abb. 26: Eine Mini-Wäscheklammer hält das Teil.
Abb. 27: Auch am Mast werden die Kabel angeklebt.
Abb. 28: Man erkennt die Schräglage vom Mast und die waagerechte Fläche vom Alu-Dummy.
Abb. 29: „Kasten“ und „Dummy“ liegen nach den Kabel-Einführungen in etwa gleicher Richtung.
Abb. 30: Die Leiter an der Mastseite führt 5° schräg nach oben, jede Leitersprosse liegt aber waagerecht.
Abb. 31: Die kleinen Japan-Flaggen im Hintergrund sind Naß-Schiebebilder, sie zeigen die „Abschuß-Erfolge“ des Zerstörers an.
Abb. 32: Viele Teile (fast 90%) des Modells sind fertig und teils gespritzt!
Abb. 33: Die Gummifäden haben 0,45 mm Durchmesser. Sie können sich vorstellen, wie winzig diese Ventile sind.