Patronen - selbst hergestellt

Wenn man sich mit dem Modellnachbau von militärischem „Gerät“ (Kampfschiffe, Geschütze, Panzer, Kanonen…) befaßt, besonders auch bei szenischen Darstellungen (Dioramas), so hat man u.a. auch patronierte Munition (Granatpatronen) zu modellieren. Die jeweils nötige Größe im richtigen Maßstab bzw. Form kann man nicht kaufen, nur Selbstbau ist möglich. Dabei kommt selbstverständlich eine Tisch-Drehmaschine zum Einsatz, die inzwischen nahezu jeder Modellbauer hat.

Mein 1:50-Vitrinenmodell vom Zerstörer USS CASSIN YOUNG von 1943 will ich so darstellen, als liegt dieses Schiff im „Zwischenstopp“ im Marine-Stützpunkt. An Deck soll dabei eine Anzahl von Patronen für die 127-mm-Hauptkaliper Mk30 gestapelt zu sehen sein. Eine Anzahl dieser Granatpatronen habe ich neulich zweiteilig hergestellt. Der hintere Teil ist bei den Originalen stets aus Messing gedreht und die am vorderen Ende eingepreßten Granaten sind oft aus brüniertem Stahl herstellt. Sie haben in der Regel am zylindrischen Teil außen zwei leicht überstehende, schmale Kupferringe. In diese (weichen) Kupferringe schneiden sich beim Abfeuern der Granate die langgestreckt gewendelten sogenannten Züge ein und versetzen bei ihrem Durchgang durch das Rohr die Geschosse in hohe Umdrehung. Durch diese Drehbewegung während des Flugs zum Ziel bleibt die Flugbahn stabiler.

Granaten-Herstellung

Der Umstand, daß diese Kupferringe vorhanden sind und bei den Modellgranaten in diesem recht großen Maßstab auch sichtbar sein sollen, hat mich veranlaßt, die Granaten ganz aus Kupfer zu drehen. Zuerst erhielten die Kupferabschnitte einheitliche Spannzapfen angedreht (a in Foto 1) . Mit diesen Spannzapfen wurden die Granaten-Rohlinge bei den folgenden Arbeitsgängen stets bis zum Anschlag in einer Spannzange gespannt. (Die Alternativen zur Spannzangen-Spannung, die nicht jeder Modellbauer hat, wären ein gut rundlaufendes Backenfutter, Klemmhülse oder sogar geschlitzte Klemmbuchse, sind in meinen wichtigen Büchern (1) und (2) ausführlich beschrieben.) Nun konnte der spätere Außendurchmesser der Kupferringe plus etwa 0,1 mm Aufmaß überdreht werden (b in Foto 2) . Damit ich mit dem Drehstahl dabei nicht in die gehärtete Spannzange fahre, habe ich das Teil jeweils so gespannt, daß wenigstens 1 mm Abstand zu dieser bestand. Dann wurde vorn der zylindrische Teil vom Kaliber-Durchmesser angedreht (c in Foto 3) . Das war in dem Fall ein Durchmesser von etwa 2,5 mm (127 : 50 = 2,54). Die Granatspitze ist in der Außenkontur nicht kurvig gewölbt, sondern aus insgesamt drei Einzelkegeln zusammengesetzt. Daher habe ich nacheinander diese drei Kegel bei drei Arbeitsgängen angedreht (d, e und f in den Fotos 4, 5 und 6) . Die richtige Grad-Zahl für die jeweiligen Obersupport-Verstellungen habe ich aus einer 10-fach größeren Skizze, die ich ohnehin immer vor der Herstellung kleiner Teile anfertige.

Beim Foto 6 erkennt man zusätzlich mit (g) zwischen den beiden Kupferringen einen sehr flachen Einstich ebenfalls auf den Kaliberdurchmesser 2,5 mm (gedreht mit einem HSS-Spitzdrehstahl). Auch ein flacher, kurzer Absatz (h in Foto 7) wurde auf diesen Durchmesser noch angedreht. Dazu konnte ich die kleinen Granaten jedoch auch nicht bis an die Spannzangenstirn heranschieben, weil sonst der Spitzdrehstahl, mit dem ich auch dies gedreht habe, mit der gehärteten Zange kollidiert wäre.

Hülsen-Herstellung

Die Messing-Hülsen erhielten zuerst Bohrungen, in welche die Spannzapfen der Kupfer-Granaten passen und der vorderste, steilere Konus wurde etwas länger als nötig angedreht (Foto 8) . Damit man bei diesen Arbeitsgängen stets nach den gleichen Quersupport-Skalenwerden arbeiten kann, muß bei jedem neuen Klemmen in der Zange bzw. Backenfutter die Längenlage mit dem geklemmten Tiefenmaß eines Meßschiebers eingerichtet werden (Foto 9) . Ich schiebe das Werkstück in der nur leicht angezogenen Zange bis zum Anschlag und ziehe diese erst danach mit dem Anzugsrohr fest.

Die Patronenhülsen sind immer sehr langgestreckte Kegel. Um diese streßfrei und ohne viele Drehversuche mit dem Obersupport einzurichten, hat auch meine Uhrmacher-Drehmaschine einen Justierarm (1 in Foto 10) (kleine Fotos durch anklicken vergrößern) mit Justierschraube (3) und Kontermutter (4) am Grundkörper vom Obersupport (2) erhalten. Mit dieser Justiermöglichkeit, kann ich langgestreckte Kegel (z.B. auch für das Drehen von konischen Kanonenrohren oder auch Morsekegel an einer größeren Drehmaschine) sehr genau und kontrolliert einrichten. Bei (5) im Foto 10 ist eine gerieben 2-mm-Bohrung zu sehen. In diese stecke ich einen 2-mm-Zylinderstift, um nach einer Winkelverstellung des Obersupports ohne lange Versuche die Einstellung für das Zylindrisch-Drehen (die exakte Null-Grad-Stellung) zu erhalten. Das ist bei einer Uhrmacher-Drehmaschine besonders wichtig, weil es hier für das sog. Langdrehen ja nur die Möglichkeit mit dem Obersupport gibt.

So konnte ich alle Hülsenkegel vollkommen gleich andrehen (Foto 11) . Bei der „Rückfahrt“ des Drehstahls wurde an der nächsten Hülse schon ein Großteil des Materials mit dessen Nebenschneide weggenommen (Foto 12) . Für diese Arbeitsweise ist es günstig, wenn der Freiwinkel der Nebenschneide nicht zu gering ausfällt. Beim Foto 12 schätze ich diesen auf etwa 20°. Im Foto 13 ist eine Granate nur zur Probe in die Hülse gesteckt. Auch bei diesem Foto erscheint die Hülse wegen dem Kunstlicht zu rötlich, es ist aber "gelbes" Messing. Am hinteren Ende wurde nun die Gesamtlänge bei einer (!) Hülse erst nur vorgestochen (Foto 14) . Das war nötig, damit ich das Einstechen der Ausziehrille nach Längenlage und Stechtiefe einrichten konnte (Foto 15) . Das habe ich mit einem speziell geschliffenen (etwa 45° Schräge) HSS-Drehstahl dann bei allen gemacht (Foto 16) . Danach konnte die Hülsen auf gleiche Längen abgestochen werden (Foto 17) . Dabei bleiben an der hinteren Stirn kleine Abstech-Reste (rechts im Foto 18) , die einzeln noch abgedreht werden müssen. Dazu habe ich die Hülsen auch in einer Spannzange aufgenommen, wegen dem Kegel der Hülse eine nicht ganz korrekte Spannung, doch für dieses geringe Plandrehen kann man das machen. Die (gehärtete) Zange nimmt keinen Schaden und man zieht sie ohnehin nicht so fest, daß sich vielleicht Markierungen an der Außenseite abbilden.

Fertigstellung

In einem Brünierungsbad (Brünierungssäure z.B. von Fa. Fohrmann) wurden die Cu-Granaten schwarz brüniert (links im Foto 19) . Nach dem Trocknen wurden die Granaten wieder in der Spannzange aufgenommen und so konnte ich die je zwei Kupferringe noch einmal leicht überdrehen, sodaß das Kupfer als Material wieder deutlich in Erscheinung tritt (rechts im Foto 19). Nach dem feinen Überschleifen der Hülsen konnten die Granaten nun mit winzigen Tropfen Sekundenkleber eingeklebt werden (Foto 20) .

Zum Schluß möchte ich noch kurz darauf eingehen, wie ich über 600 Granatpatronen, ebenfalls im M 1:50, für die fünf 40-mm-Zwillings-Waffenstände Mk1 für mein Zerstörer-Modell hergestellt habe. Diese Patronen haben in dem Maßstab nur einen Durchmesser von 0,8 mm (die Granaten) und sind beim Original zu noch handhabbaren Patronenbündeln von je vier Stück zusammengeklemmt. Diese Bündel lagern in Vorratsregalen übereinander an den Innenseiten der Waffenwannen. Beim Normalbetrieb sind diese Patronen-racks mit Persenningen abgedeckt, damit die Patronenbündel vor Witterung geschützt sind. Von dort werden sie beim Gefecht von zwei Ladeschützen außerhalb des Geschützstandes (auf Deck stehemd) zu zwei weiteren Ladeschützen auf dem Geschütz gereicht, welche diese in die Ladeeinrichtungen  auf dem Waffengehäusen stecken. Foto 21 zeigt, wie ich die gerundeten „Regalstücke“ auf dem Rundtisch gefräst habe. Dabei wurden die schmaleren Langlöcher mit einem 0,6-mm-Fingerfräser (Fa. Pfeiffer) gefräst. In diesen schmalen Durchbrüchen stecken die Spitzen der vier Patronen. Foto 22 zeigt die gesamte Anzahl dieser Regalteile, fertig zum Einbau in alle fünf Waffenwannen. Es gibt hierbei auch gerade Stücke. Foto 23 zeigt eine derartige 40-mm-Waffenwanne mit den innen eingeklebten „racks“. In dem Fall sehen wir drei Lagen übereinander.

Die Patronen habe ich hier aus Reststücken von 2,5-mm-Rundmessing gedreht. Zuerst wurden mit einem Formstechstahl an alle vollkommen gleich die Spitzen der Granaten auf den Durchmesser 0,8 mm angestochen. Diese wurden dann komplett schwarz brüniert (sieben Stück unten im Foto 24) . Auf die Darstellung der Kupferringe habe ich bei dieser kleinen Größe natürlich verzichtet. Anschließend wurden die Hülsen auf je gleiche Längen leicht konisch angedreht und danach abgestochen (Foto 25) . Dabei habe ich peinlich genau darauf geachtet, daß ich die schwarze Brünierungsoberfläche an den Geschoßspitzen nicht wieder wegdrehe. Auch hier entstand ein kleiner Abstech-Rest, der gesondert abgeplant werden mußte. Je vier Stück wurden später als „Bündel“ mit 2-K-Kleber auf ein gemeinsames Blech geklebt (Mitte im Foto 26) . Diese von Profilstäben abgesägten Bleche sind leicht konisch und deren Seiten wurden nach dem Entgraten und Ausglühen etwas nach oben geprägt (Foto 26 rechts). Die Bündel werden farblos gespritzt, damit der Messing-Glanz erhalten bleibt.

Jürgen Eichardt

Weiterführende Literatur:

(1) „Drehen für Modellbauer“ Band 1, Verlag für Technik und Handwerk Baden-Baden, 2001, ISBN 3-88180-713-6, € 19,

(2) „Drehen für Modellbauer“ Band 2, Verlag für Technik und Handwerk Baden-Baden, 2001, ISBN 3-88180-714-4, € 17,-

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