Französischer Minenjäger PERSEE

 

 french mine-hunter

Etwa seit dem Ersten Weltkrieg unterhalten die Marinen der Welt zur Beseitigung der Seeminen-Gefahr speziell konstruierte oder auch nur für den Zweck hergerichtete Minensucher. Diese in aller Regel recht kleinen Fahrzeuge schleppten (hinter sich her) Minensuchgeräte verschiedenster Ausführungen, um die unterschiedlichen Minentypen zu finden und danach zu vernichten. Das bedeutete, daß das oder die Minensuch-Fahrzeuge (mit Ausnahme der später entwickelten Bugschutzgeräte) ungeschützt in das minenverseuchte Seegebiet hineinfahren mußten. Damals entstand der Begriff "Himmelfahrtskommando" (kleine Bilder anklicken). Die modernen Minenabwehrfahrzeuge werden seit etlichen Jahren in Minensucher und Minenjäger unterschieden. Es gibt allerdings auch Fahrzeuge, die Minensuche mit herkömmlichen Schleppgerät und Minenjagd ausführen können.

Von einigen Marinen wurden sogar Minensuchgeräte entwickelt, die von einem schweren Hubschrauber (Minenvernichter Mk-105 der US-Navy) durch das Seegebiet geschleppt werden. Schon hierbei entfällt die Gefahr für ein Überwasserfahrzeug als "Schlepper". Als Folge der Weiterentwicklung der Technik, vor allem der Elektronik, wurden in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bei allen bedeutenden Marinen der Welt die ersten Minenjagdfahrzeuge (Minenjäger) als neue Kampfschiff-Gattung entwickelt bzw. aus älteren Minensuchern dazu umgerüstet. Mit der WILTON (sie gehörte im Grunde zur zahlenmäßig großen TON-Klasse) wurde bei der Royal Navy zudem erstmals für ein größeres Kampfschiff der gesamte Rumpf aus glasfaserverstärkten Kunststoff (GfK) gebaut. Diese Bauweise ist inzwischen für die meisten Minenabwehrfahrzeuge Standard.

Minenjäger haben eine oder oft auch mehrere sog. Minendrohnen an Bord. Das sind im Grunde kleine Tauchroboter, die meist auch die Form von Mini-U-Booten haben. Diese Drohnen werden (draht-)ferngelenkt unter Wasser nun vor dem Mutterschiff vorausgeschickt. Sie finden mit hochempfindlichen Sensoren aber auch mit Fernsehkameras die Minen, bringen in der Regel Sprengladungen an ihnen an oder werfen solche bei der gefundenen Mine ab. Es gibt auch sog. Einwegdrohnen. Das sind relativ billige "Selbstopfer"-Drohen (man könnte sie auch als kleine zielsuchende Torpedos ansehen), die sich zusammen mit der Mine sprengen. Eine weitere Möglichkeit ist die Vernichtung der gefundenen Mine durch speziell ausgebildete Minentaucher. Als eine besondere Form der Minenjagd wurde bei der Bundesmarine die Version mit unbemannten Überwasserdrohnen geschaffen. Dieses Minenabwehrsystem erhielt den Namen "Troika" , weil dabei drei kleinere Hohlstablenkboote dem Lenkboot vorausgeschickt werden.

Als eine Gemeinschaftentwicklung zwischen den NATO-Marinen Frankreichs, Belgiens und der Niederlande wurden in den Jahren 1977 bis 1988 die Minenjäger der ERIDAN-Klasse (oft auch TRIPARTITE-Klasse genannt / 562 t Standard- und 595 t Maximalverdrängung) gebaut. In Frankreich wurden elf Boote in Dienst gestellt, in Belgien zehn und bei der niederländischen Marine 15 Boote. Typgleiche Boote erhielten Indonesien (2) und Pakistan (2). In Lettland werden inzwischen fünf außerdienstgestellte Boote weiterverwendet. Jedes NATO-Land baute eigenständig die Rümpfe. Aber für alle 36 Boote baute Frankreich die Minenabwehr-Einrichtungen und alle elektronischen Geräte, Belgien die Bord-Elektrik und die Niederlande lieferten die Maschinenanlagen. Die über alles 51,5 m langen, 8,9 m breiten und etwa 2,5 m tiefgehenden GfK-Rümpfe haben eine aktive Tank-Schlingerdämpfung, vollen ABC-Schutz und Klimaanlage. Die lange Back reicht über 3/4 der Bootslänge. Der schön gerundete Hauptspantquerschnitt wird bis zum Spiegelheck geführt und entspricht den Rumpfquerschnittsformen aller modernen französischen Kampfschiffe (vgl. dazu den Spantenriß beim Zerstörer LATOUCHE TREVILLE ). Interessant ist die Antriebskonzeption der ERIDAN-Klasse. Mittschiffs sitzt ein größerer Verstellpropeller von etwa 2,50 m Durchmesser, auf ihn arbeitet ein Dieselmotor von 1.860 PS. Zusätzlich haben die Boote je zwei etwas schräg stehende Aktivruder mit unten angebauten Kortdüsen (vgl. Spantenriß). Für diesen Hilfsantrieb sind zwei weitere Motoren von je 240 PS installiert (diesel-elektrischer Antrieb). Für das Manövrieren im Hafen gibt es zwei Querstrahlruder im Bug. Dieser Antrieb gibt den Booten eine Geschwindigkeit von 15 kn (7 kn mit dem Hilfsantrieb). Bei 12 kn Fahrt können 3.000 sm durchlaufen werden. Die Besatzung besteht aus 46 Mann (davon 5 Offiziere).

Zur Kieler Woche 2006 hatte ich Gelegenheit, die französische PERSEE aus nächster Nähe (vom Oberdeck der nebenan liegenden LATOUCHE TREVILLE aus) zu fotografieren. Nach diesen Fotos habe ich meine Skizze angefertigt. Denn es ist so: auch bei der ERIDAN-Klasse unterscheiden sich die Boote im Detail sehr. Auf dem abgesetzten Achterdeck wurden ursprünglich auf Wagen und Decksschienen an der Backbordseite zwei Jagddrohen "PAP 104" (Dank Herr Heine für die Fotos) gefahren. Mittschiffs steht der hydraulische Aussetzkran. An Steuerbord neben dem Kran war bei PERSEE ein neuer gelber, recht flacher Tauchroboter, ebenfalls auf einem federgedämpften Lagergestell, zu sehen. Heute weiß ich, daß dies eine verbesserte Minenjagd-Drohne "Double Eagle MkII" ist, wie die Boote heute auch ein verbessertes Sonar Typ "TUS 2022 Mk III" fahren. In meiner Skizze sind noch beide Arten der Drohnen an Bord. Außerdem war bei diesem Boot an der hintersten Steuerbord-Decksecke ein hohes, hydraulisch ausklappbares Gestell zu sehen, daß ich inzwischen als ein variables Tiefensonar (VTS-Anlage) erkenne, ebenfalls erst später nachgerüstet. Im großen Deckshaus unter dem konischen Kamin vermute ich die Filteranlagen der ABC-Schutzausrüstung. Die PERSEE fährt drei Rohrwaffen: auf der Back eine 20-mm-Kanone F2 "DCN" (wikipedia) (Gewicht ohne Munition: 332 kg, Elevation: -15 bis 65°, 720 Schuß/min, Vo 1.050 m/sek, 1,5 km effektive Reichweite), weniger als Flakschutz als vielmehr für das Beschießen von aufgetauchten Minen, und achtern am Decksabsatz zwei 12,7-mm-Mg´s als Speed-Boot-Abwehr (Antiterror-Waffen). Wieso das backbordseitige Mg nicht auch außen an Seite-Deck steht, ist mir nicht ganz klar. Das kann mit dem Aussetzgalgen zusammenhängen, welcher an der Achterkante des Deckshauses angebracht ist. Hinter dem Deckshaus erkennt man einen auswechselbaren 5-t-Container. In diesem ist die Spezial-Ausrüstung für die wechselnden Einsatz-Rollen der Boote untergebracht (Minensuche, Minenjagd, Patrouille, Rettung). Insgesamt können die Boote sechs Minentaucher mitführen. Sie verlassen das Boot über eine Leiter (ich habe sie am Heck ausgeklappt dargestellt) oder mit Speed-Booten (zwei Stück sind an Bord). Die Seeausdauer ist für die ERIDAN-Klasse mit 15 Tagen angegeben.

Noch einige Quelleangaben: Vom belgischen "MODELBOUW CENTER", West Vlaanderen, Langestraat 163, Brügge 050/342071 kann man einen Modellplan im M 1:50 vom Minenjäger IRIS (Bordnummer M920) bestellen. Die hier gezeigte Skizze von PERSEE können Sie bei mir in der gezeichneten Größe M 1:100 bestellen. Weiterhin kann ich Ihnen eine Foto-CD-ROM mit 30 Detailfotos der PERSEE anbieten (Tel.: 0721-47040072). Beim Fregattenkapitän a.D. Egon Wirth möchte ich mich für seine wertvollen Hinweise bedanken.

Jürgen Eichardt

Bildtexte:

Foto 1: Eine schöne Übersicht über das Deck am Heck. Ein Speed-Boot lagert hier an Backbord achtern. Unter dem Boot erkennt man die Schienen für die "PAP 104"-Drohnen.

Foto 2: Eine Sicht in der anderen Richtung über das Achterdeck. Unter dem Verdeck erkennt man eine Räumwinde, denn die Boote fahren auch ein leichtes mechanisches Räumgerät.

Foto 3: Hinter dem Kamin sind diverse Schläuche und Bojen gelagert.

Foto 4: Im Bild die beiden diagonal aufgestellten Anti-Terror-Waffen. Die Kabeltrommel hat im Normalbetrieb sicher einen anderen Platz.

Foto 5: Das Brückenhaus von achtern fotografiert. In dem Kasten mit der schrägen Öffnung befinden sich die Signalflaggen, das sog. Flaggenstell.

Foto 6: Die Steuerbord-Brückennock mit dem Peilkompaß. Außen über den Fenstern sieht man die Getriebekästen für die Scheibenwischer. Einige Rohrleitungen für die Berieselungsanlagen sind zu sehen. Die Decks sind offenbar dunkelgrau gestrichen. Auf dem Brückendach die NATO-Kennung.

Foto 7: Übersicht über das Backdeck, das Boot fährt zwei Flächenanker.

Foto 8: Eine klare Aufnahme von ANDROMEDE in See. Unter der Quersaling am Mast erkennt man "Fußperde".

Foto 9: Mit dem Kran am Heck werden offensichtlich auch die Speed-Boote ausgesetzt, wie dieses Foto von CEPHEE belegt.

Foto 10: BELLIS von der niederländischen Marine, die VTS-Anlage fehlt noch.

Foto 11: Ein weiteres Boot aus den Niederlanden, PRIMULA.

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