37-mm-Zwillingsflak C/30

37-mm-twin-AA-gun C/30

Planausschnitt / plan sections

Originalfotos

Bei der Reichsmarine wurden erstmals Maschinenkanonen vom Kaliber 37 mm zu Flugabwehrkanonen umgebaut. Dazu erhielten die Kanonen Richtmaschinen, Visiereinrichtungen und einen Sitz für den Richtschützen. Die Firmen Krupp und Rheinmetall trieben die Entwicklung nach den Erfordernissen der verbesserten Kampfflugzeuge – insbesondere deren Geschwindigkeiten und Panzerungen – voran. Aus den Erfahrungen mit verschiedenen Fla-Geschützen der Truppen-Luftabwehr entstand Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die 37-mm-Schnellfeuerkanone (S.K.) C/30, welche in verschiedene Schiffslafetten als Einzel- und Zwillingsgeschütze mit und ohne Splitterschutzschild eingebaut wurden. Damit die Bewegungen der Plattform Schiff (Rollen, Schlingern, Stampfen und Gieren) ausgeglichen werden konnten, waren die Lafetten dreifach richtbar. Ein zusätzliches Kantrichtwerk sorgte bei der Doppellafette C/30 von der Fa. Rheinmetall dafür, daß die Höhenrichtachse stets nahezu waagerecht lag (horizontieren). Das Kanten konnte handbetrieben (zwei Handräder), mechanisch (Kreisel) oder elektrisch geschehen. Dieses System gab es damals erstmals bei serienmäßig produzierten Schiffsgeschützen. Sehr lange Rohre (83 Kaliber) erbrachten eine Anfangsgeschwindigkeit der 748 Gramm schweren Geschosse von beachtlichen 1.000 m/sek. und eine wirksame Steighöhe von 6.800 Metern sowie eine Reichweite von maximal 8.500 Metern. Die Waffen arbeiteten halbautomatisch. Die Patronen mußten einzeln und von Hand geladen werden. Verschluß und Auswurf der leeren Hülsen erfolgte aber automatisch. Eine gut eingespielte Bedienungsmannschaft brachte es auf 30 Schuß pro Rohr und Minute. Das war zu wenig, um die Waffe als effektiv zu bezeichnen. Außerdem war der Waffenstand zu schwer, viel zu kompliziert im mechanischen Aufbau und damit störanfällig. Ich kann mir vorstellen, daß ein sinnvolles Zielen bei stark verkanteten Waffen (auf- und abschwenkende Visiere und Richtkurbeln, vgl. Ansicht F Blatt 3) kaum noch möglich war.

Unsere drei Blätter des Schiffsdetail-Beitrages zeigen die wesentlichen Einzelteile der Doppellafette C/30 mit zwei eingehängten 37-mm-Waffen C/30 und auf Blatt 1 und 3 die Gesamtansichten. Diese Waffe war zur Zeit des Zweiten Weltkrieges auf deutschen Kampfschiffen (vom TS-Boot bis zum Schlachtschiff), auf Beuteschiffen und sogar auf dem spanischen Kreuzer CANARIAS (als nur ein Beispiel) in großen Stückzahlen eingebaut. In der Regel wurde der Waffenstand ohne Splitterschutz aufgestellt. Dies war einer der Gründe für die hohen Personalverluste im Gefecht besonders an diesen Waffen. Auf wenigen Fotos erkennt man aber auch verschiedene Ausführungen von Splitterschutzschilden. Auf einer Aufnahme von 1944 vom Kreuzer NÜRNBERG sieht man deutlich zweifach hintereinander angeordnete Blechschilde: ein größerer für die Richtschützen und weiter hinten einer für die Ladekanoniere. Besonders auf Zerstörern soll ein halbhoher Splitterschutz gefahren worden sein, der nur wenig mehr als den vorderen Teil der Plattform umschloß.

Der kastenartige Lafettenständer (1) ist um 360° drehbar auf einem Drehsockel montiert. Der flache Ring des Deckflansches gleicht die Schräglage des Decks aus, sodaß die Lafette auf waagerechter Ebene dreht (siehe Drehebenen-Pfeil rechts). Das Getriebegehäuse für das Drehgetriebe ist hinten links angeordnet (Schnitt A-A). An der Oberkante des Ständers sind zwei Wiegenlager (a) zur Aufnahme der Waffen (7) seitlich um zwei parallele Achsen schwenkbar angeordnet. Beim seitlichen Schwenken des Schiffes können so die Rohre senkrecht gehalten werden. Die Schildzapfenlager (o) ragen nach hinten weit aus, damit die größte Elevation der Rohre von + 85° erreicht werden kann, ohne daß der hintere Teil der Waffen am Ständer anstößt. Das Herabrichten der Rohre (Depression) war bis – 10° möglich, damit Seezeile auch bei Schlagseite des Schiffes noch bekämpft werden konnten. In der Ansicht F auf Blatt 3 sind die Waffen und die Visiereinrichtung etwa 15° geschwenkt. Das vermittelt einen etwas falschen Eindruck; das Deck mit dem Ständer sollte geschwenkt dargestellt sein. Die maximale Verkantung betrug nach beiden Seiten je 19,5°. Mit (v) ist der Zurrknebel für das Festsetzen des Kantrichtwerkes bezeichnet. An der Vorderkante des Ständers hängt, ebenfalls seitlich schwenkbar, ein Vierkantbalken (vgl. Schnitte A-A und B-B von Blatt 2) mit der gesamten Visiereinrichtung (3) und mit den gekröpften Höhen- und Seitenrichtkurbeln. In der Ansicht E von Blatt 1 ist die Höhenlage des Schwenkpunktes für diesen Balken bei (3) genau bezeichnet. Der Höhenrichtschütze sitzt rechts (in Schußrichtung gesehen); der Seitenrichtschütze links. Die Drehbewegungen der Kurbeln werden über ein viel zu kompliziertes System von Wellen, Hohlwellen und Kegel- und Schneckenradgetrieben bis hin zu den Ritzeln für die Höhenstellung (b) im Ständer bzw. zum Drehgetriebe übertragen. Das Getriebe für die Seitenschwenkung konnte für raschen Zielwechsel ausgekuppelt werden. Dann drehte die Bedienungsmannschaft (die auf Deck stehenden Ladeschützen) den Waffenstand schneller in die neue Richtung. Seitlich am Ständer ragen zwei gerundete, für den Waffenstand charakteristische Blechabdeckungen (m) aus. Unter ihnen kann der schwere Kreiselrahmen seitlich ausschwenken. An einem langen, runden Rohr (e) sitzen an den Enden die beiden Reflexvisiere für die Richtschützen (f) und ganz außen an der linken Seite ein Rechengerät (g). Für den Massenausgleich der wesentlich schwereren linken Seite ist auf der anderen Seite ein Gegengewicht (h) angebracht. Unter einem Winkel von 45° ragt die Schwenkwerkbegrenzung (w) aus dem Ständergehäuse aus. Mit diesem Teil und entsprechenden Anschlägen am Decksockel wird nach den Gegebenheiten an Bord der „Bestreichungswinkel“ des Waffenstandes begrenzt. Der Gerätekasten (y) seitlich an einem Wiegenträger ist wahrscheinlich ein Schußzähler. Für die Erarbeitung der Zeichnungen standen mir leider nur sehr beschränkte Unterlagen zur Verfügung. Deshalb konnte ich die Funktion der Hebelgestänges (x) an der Rückseite des Ständers ebenso nicht endgültig klären, wie mir bis heute nicht klar ist, wie denn die Waffen abgefeuert wurden. Vielleicht kann hier ein Leser Aufklärung geben? Selbstverständlich kann man bei dem in großen Stückzahlen hergestellten Waffenständen auf Fotos teils erhebliche Unterschiede im Detail erkennen. Das betrifft besonders die Ausführungen der Visiereinrichtungen, Kabelbahnen usw. Zur Bedienung der Doppellafette waren acht bis neun Marinesoldaten nötig: zwei Richtschützen, ein Kantschütze, vier Ladeschützen, der Geschützführer und vielleicht noch ein Mann mit einem tragbaren Entfernungsmesser.

An einem seitlichen Tragarm (c) wird das mitschwenkende Kantfernrohr (d) für den Kantschützen gehalten. In einem rahmenartigen Träger (n) unter dem Kantfernrohr ist unten eine Groblibelle eingebaut. Der Sitz für den Kantschützen befindet sich auf einem runden Balken, der an der Vorderseite des Ständers mit einer Konsolplatte angeschraubt ist. Das gesamte Bauteil mit Sitz, Richtkurbeln, Rückenlehne und dem Kreiselschalter habe ich als Teil (4) herausgezeichnet. Alle drei Sitze für die Schützen ähneln Fahrradsitzen. Die beiden äußeren (6) haben eine aufwendige, einstellbare Federung. Sie stehen auf einer durch vier Konsolarme am Ständer gehaltenen, aus zwei Teilen bestehenden Plattform (2). Diese besteht hier aus Wabenblech. Auf Zeichnungsunterlagen erkennt man auch eine andere Form der Trittsicherung: kreuzweise diagonal aufgenietete, rechteckige Blechstreifen und diverse Wasserablauf-Bohrungen im Blech (I auf Blatt 2). Die beiden Hälften der Plattform werden durch ein Winkeleisen (l) auf Abstand gehalten. An der schmalen, senkrechten Außenkante der Plattform ist eine umlaufende Stange (j) angebracht. Hier wird vermutlich die Bezugspersenning für den Waffenstand beim Hafenbetrieb festgezurrt. An der linken Seite ist an einem Halteblech (k) ein Telefon (8) befestigt. Zwischen den Plattformhälften, unterhalb des Kantschützen-Sitzes, befindet sich der Antriebsmotor (5) für den Kreisel.

Die Waffen (7) haben einen spiegelbildlichen Aufbau. Die Höhenricht-Zahnbögen sind jeweils nach innen gesetzt. Weil die Zahnung auf diesen Teilen relativ klein ist, habe ich die eingefräste Zahntiefe nur mit einer gestrichelten Linie (t) angedeutet. Der massive Block (p) am hinteren Rohrende ist das sog. Bodenstück mit dem Fallkeilverschluß. Der Rohrrücklauf beim Abfeuern betrug 335 mm. Über dem Rohr war jeweils nach innen versetzt der Federvorholer (q) angeordnet und auf der anderen Seite die Rücklaufbremse (r). Auf der Innenseite liegt jeweils leicht schräg der Verschlußbeweger (s). Ganz oben gibt es noch eine Rücklauf-Meßstange (u). Im Hafenbetrieb wurden auf die langen, konischen Kanonenrohre Schutzrohre aus Blech aufgesteckt. Auch für die Visiere gab es gerundete Blechabdeckungen. Beim Seegang wurde an den beiden Bodenstücken der waagerecht gestellten Waffen ein Rahmen aufgesteckt und dieser mit gekreuzten Zurrstangen gegen das Deck verzurrt.

Für die Leihgaben von wichtigen Unterlagen möchte ich mich bei den Herren Wolfgang Beu und Dr. Hans Mehl herzlich bedanken.

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