Fregatte der Bundesmarine AUGSBURG

frigate AUGSBURG 

Sommer 1966. Als E-Mixer war ich gerade frisch in den „Kampfkern“ versetzt. So nannte man bei der Volksmarine die TS-Boots-Abteilung, von der stets zwei Boote in sog. 10-Minuten-Bereitschaft, also mit warmgefahrenen Hauptmaschinen, laufendem Kreisel und voll aufgebunkert bereit zum sofortigen Auslaufen am Stützpunkt in Dranske lagen. Unsere TS-Boote vom sowjetischen Projekt 183 (NATO-Code: P6-Klasse) hatten die billigsten Betriebsstunden; wurden also immer zuerst für Aufklärungstörns eingesetzt. Das waren uns Matrosen im Grunde die beliebtesten „Seefahrten“, weil bei diesen Schnelleinsätzen nie Stabsoffiziere mit ihren „Sonderwünschen“ an Bord waren. Wir waren also weitgehend selbstständig unterwegs und hatten zudem immer Gelegenheit, den „Klassenfeind“, also Schiffe oder Boote der NATO-Marinen aus nächster Nähe zu sehen – und zu fotografieren. Unser Boot hatte Bereitschaft, ich „joggelte“, fuhr also den kleinen Hilfsdiesel zur Bordstromerzeugung. Dessen Kühlwasser wurde durch alle vier Hauptmaschinen gepumpt und hielt diese auf Betriebstemperatur. Gegen Morgen Alarm. Unser Kommandant, Deckname „Messerklinge“, kam mit seinem Aktenbündel aufgeregt vom Wohnschiff gerannt: „Wir müssen raus, die LÜBECK ist draußen!“ Wenige Minuten später: „Feuer an!“, „Vor- und Achterleine los und ein!“, Dieselqualm um die Boote im Bäckchen, Maschinen einkuppeln, 4 x 800, meine erste Aufklärungsfahrt begann. Zu dem Zeitpunkt wußte ich nicht, wer oder was denn LÜBECK ist. Unser E-Nautiker hat mich dann schon auf der Revierfahrt unten um den Südbug herum aufgeklärt: „Das ist eine Fregatte der KÖLN-Klasse.“ Als Maschinist bekommt man im Maschinenraum nicht viel mit, was draußen so geschieht. Erst als wir schon eine ganze Weile in mäßiger Fahrt neben der Fregatte fuhren, machte mir mein LM (leitender Maschinist) durch Zeichensprache verständlich, daß ich doch einmal an Oberdeck klettern und mir an Backbord unseren „Weggefährten“ ansehen sollte…..

Bei diesem Aufklärungstörn ist das abgebildete Foto der LÜBECK entstanden . Das für meine damaligen Begriffe große Kampfschiff fuhr nicht allzu schnell auf Ostkurs, an Deck war kaum ein Mann zu sehen, kein Wunder bei dem beschissenen Wetter, alle Waffen und Geräte waren mit Persenningen abgedeckt, man nahm drüben wenig Notiz von unserem kleinen Schnellboot….Stunden fuhren wir so fast auf Steinwurfweite nebeneinander her, bis die Fregatte dann weiter östlich von einem polnischen TS-Boot „übernommen“ wurde….

Die LÜBECK war damals etwa drei Jahre alt. Sie war als fünftes Boot der sog. KÖLN-Klasse (auch als Geleitboot 55 oder Klasse 120 bekannt) in Dienst gegangen. Bauwerft war H. C. Stülcken Sohn in Hamburg, welche die Klasse ab 1955 konzipierte. Die insgesamt 6 Boote der Klasse (KÖLN, EMDEN, AUGSBURG, KARLSRUHE, LÜBECK und BRAUNSCHWEIG - in dieser Reihenfolge in Dienst gegangen) waren zusammen mit den Zerstörern der HAMBURG-Klasse und dem Schulschiff DEUTSCHLAND die ersten großen Kampfschiff-Neubauten nach dem Krieg für die Bundesmarine. In vielen Details, auch bei der Bewaffnung und Ausrüstung, ähnelten sich die genannten Schiffe sehr. Sie hatten allesamt einen Außenhautknick beim Vorschiff und recht hohe Aufbauten mit voluminösen Schornsteinen. Die KÖLN-Fregatten entstanden aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, bei dem vor allem die Alliierten preisgünstige Geleitfahrzeuge mit universellem Aufgabenbereich unterhalb der Zerstörergröße in teils großen Stückzahlen bauten und mit Erfolg einsetzten. Sie erhielten einen modernen CODAG-Antrieb (kombinierter Diesel- und Gasturbinen-Antrieb). Es wurden je zwei BBC-Gasturbinen (Typ TA8007, 3.590 U/min, je 12.000 PS) und vier MAN-Viertakt-Dieselmotore (Typ V8V24/30mHA, 16 Zylinder, 872 U/min, je 3.000 PS) eingebaut, die über Getriebe auf die beiden dreiflunkigen Verstellpropeller (Ø 2950 mm) wirkten. Die Antriebsanlagen gaben den Booten eine maximale Geschwindigkeit von 34,0 kn. Die Fahrbereiche: 4.000 sm bei 18 kn; 2.700 sm bei 22 kn und nur 890 sm bei allerdings 29 kn.

Namen

Bau-Nr.

Baubeginn

Stapellauf

Indienststellung

KÖLN                     (F220)

881

21.12.1957

6.12.1958

15.4.1961

EMDEN                   (F221)

882

15.4.1958

21.3.1959

24.10.1961

AUGSBURG             (F222)

883

29.10.1958

15.8.1959

7.4.1962

KARLSRUHE            (F223)

884

15.12.1958

24.10.1959

15.12.1962

LÜBECK                  (F224)

885

28.10.1959

23.7.1960

6.7.1963

BRAUNSCHWEIG     (F225)

886

28.7.1960

3.2.1962

16.6.1964

Die Rümpfe waren Glattdecker mit Sprung im Vorschiff, ausfallenden Vorsteven und gerundetem Heck . Der Hauptspant ist nach oben ganz leicht eingezogen . Zwölf wasserdichte Schotte unterteilen den Rumpf in dreizehn Abteilungen: (von hinten nach vorn) I – Rudermaschinenraum, Toiletten, II und III – Mannschaftswohnräume, IV – Offizierskammern usw., V – Diesel-Motorenraum, VI – E-Werk, VII – Gasturbinenräume, VIII – E-Werk, Lasten, IX – Offizierskammern, WABO-Lager, X – Unteroffiziers-Kammern, Sonarraum, XI, XII – Mannschaftswohnräume, Lasten, XIII – Lasten, Kettenkasten. Im Bereich der Konstruktionsspanten 15 und 16 unterragt den Kiel ein Sonardom. Das eigentliche Sonargerät kann hier ein- und ausgefahren werden. Zwei Spatenruder, Schlingerkiele. Die Aufbauten sind weitgehend aus Aluminium gebaut. Von den Seitengängen bis zum Heck sind Minengleise installiert. Der Schiffsrumpf ist in der KWL 105,00 m lang; über alles knapp 110 m, die größte Breite ist 11,20 m und der Konstruktionstiefgang 3,54 m (ohne Sonardom). Typ-, Konstruktions- und Einsatzverdrängung sind mit 2.090, 2.425 und 2.969 t angegeben. Der Brennstoffvorrat betrug 361 m³. 210 bis 238 Mann Besatzung waren an Bord; davon bis zu 18 Offiziere. Jedes Boot kostete 70 Mio. DM.

Die Bewaffnung bestand aus zwei 100-mm-Universalgeschützen L/55 „Greusot-Loire“ , zwei 40-mm-Zwillingslafetten „BOFORS Breda Typ 106“ , zwei 40-mm-Einzellafetten „BOFORS Breda Typ 107“ (1:20- oder 1:25-Zeichnung bei mir erhältlich!), zwei vierrohrigen 375-mm-WABO-Werfern „BOFORS“ , vier 533-mm-U-Jagd-Torpedorohren „Toro UJ2“ für Torpedos Mk44, zwei Ablaufbühnen für WABO „Hagenuk“ am Heck (standen auf den Minengleisen) und 56 bis 82 Minen. Die 40-mm-Breda-Waffenstände hatten im Gegensatz zu den Waffen auf den Schnellbooten nach oben ausragende Mehrladeeinrichtungen. Auf KÖLN und EMDEN waren zu Beginn der Dienstzeit lange U-Jagd-Torpedorohre installiert. Später kamen die kürzeren Rohre an Bord, sie wurden näher zusammengerückt, sodaß ein Durchschieben der Torpedos beim Nachladen möglich wurde .

Während ihrer Dienstzeit bei der Bundesmarine wurden die Boote mehrfach umgebaut bzw. modernisiert. Das betraf besonders die Ausrüstung mit Sensoren (Radar- und Feuerleiteinrichtungen). Der offene Bückenfahrstand (Sommerfahrstand) wurde überbaut, es gab Veränderungen im Bereich der Ansaugschächte für die Gasturbinen, die Propellerschutz-Einrichtungen am Rumpf wurden geändert, das vorderste Waffenleitgerät – direkt hinter dem Fahrstand – wurde abgerüstet, der Heckanker entfernt und dessen Klüse und Ankerfallrohr zugesetzt, das Stb.-seitige Beiboot von Bord genommen. Später erhielten die Boote etwas nach der Backbordseite hin versetzt auf dem Achterdeck eine Winde für zwei Geräusch-Schleppbojen T-Mk6 „Fanfare“ (US-Entwicklung). Das ist eine Torpedo-Ablenkanlage. Anfangs fuhren die Fregatten hinter dem hintersten Feuerleitgerät noch ein optisches Entfernungsmeßgerät (4 m Basislänge?). Betreffs der geschichtlichen Daten verweise ich auf die Literatur.

Meine Schiffsskizze (im M 1:100 gezeichnet!) entstand diesmal in der Hauptsache nach dem sehr gut recherchierten und hervorragend gebauten 1:55-Modell der AUGSBURG (F222) und nach Werftplänen, die mir freundlicherweise der Sachbuchautor Wolfgang Harnack und Dr. Reinhard Jaschik zur Verfügung gestellt haben. Bei den genannten Hobbyfreunden möchte ich mich herzlich bedanken. Das Modell von Jürgen Wolf zeigt den Bauzustand von 1986.

Jürgen Eichardt

Weiterführende Literatur:

Gerhard Koop/Siegfried Breyer: „Die Schiffe, Fahrzeuge und Flugzeuge der deutschen Marine von 1956 bis heute“, Bernard & Graefe Verlag Bonn, 1996, ISBN 3-7637-5950-6

Wolfgang Harnack: „Die Zerstörerflottille der Deutschen Marine von 1958 bis heute“ Koehler Verlag Hamburg, 2001, ISBN 3-7822-0816-1

Weitere Fotos:

Foto 1: Heckansicht von BRAUNSCHWEIG. Die WABO-Ablaufgestelle sind installiert.

Foto 2: Schöne Luftaufnahme von AUGSBURG. Auf dem Achterdeck an Backbord erkennt man die Winde für die beiden Schleppbojen "Fanfare", daneben liegt die Stelling.

Foto 3: Noch eine Aufnahme von AUGSBURG, diesmal eine Stb.-Bugansicht. Der Außenhautknick im Vorschiff ist gut zu sehen. Bei der Bildstelle der Bundesmarine bedanke ich mich.

Foto 4: Hier EMDEN in einer Luftaufnahme. Die taktische Kennung (221) wurde auch auf dem Dach vom Winterfahrstand gefahren. Man erkennt die gerundete Kante Seite-Deck über die gesamte Rumpflänge.

Foto 5: KARLSRUHE im Stützpunkt. Die aufgemalte blaue Bugspitze sagt, daß diese Schiff über den Polarkreis hinausgefahren ist.

Foto 6: BRAUNSCHWEIG im Hafen.

Und nun noch fünf Aufnahmen vom erstklassig gebauten 1:55-Modell von Jürgen Wolf:

Der Sommer-Fahrstand von hinten fotografiert. In den Brückennocken stehen die Lenksäulen für die 40-mm-Waffen. Die rote Puppe wird für Mann-über-Bord-Übungen verwendet.

Mittschiffsbereich von Steuerbord, unten die beiden Einzel-Torpedorohre, oben in speziellen Wannen zwei Feuerleit-Radargeräte, links eine Single-40-mm-BOFORS mit ihrem Hülsenfangring auf dem Deck. In der Bildmitte ein Durchgang zur anderen Bordseite.

Der Brückenbereich.

Auf der obersten Saling das Luft- und Seeraumradar Typ LW04.

Als Gefahrenhinweis wird der Schwenkbereich der Geschützrohre mit roten Kreisbögen auf dem jeweiligen Deck markiert.

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