Hohlstabfernräumgerät „Seehund“ (Klasse 351)

 hollow bar far-clearing equipment "seal" (class 351)

Grundminen liegen in den Küstengewässern in relativ geringer Tiefe auf dem (oder heute auch im) Meeresgrund und werden durch Änderungen der physikalischen Felder zur Explosion gebracht. Ein darüber laufendes, motorgetriebenes Stahlschiff erzeugt ein Druckfeld in der Wassersäule über der Mine, es stört den natürlichen Erdmagnetismus und erzeugt mit seinen Maschinen und Propellern auch ein Geräuschfeld. Für die Minenbeseitigung hat man schon immer versucht, diese Störungen der physikalischen Felder zu simulieren, um die Minen zu zünden. Grundminen, die auf Veränderungen des Druckfelds ansprechen, kann man nur durch die Überfahrt mit einem Sperrbrecher beseitigen. Dagegen können Geräusche gut von geschleppten oder an den Bugspieren angebrachten sog. Geräuschbojen („Rapatzbojen“) simuliert werden. Und auch schon im Zweiten Weltkrieg wurden von Minensuchern u.a. (Elektrodengerät, Schleifenräumgerät) geschleppte, 12 bis 20 Meter lange, torpedoähnliche, sog. Hohlstäbe zum Einsatz gebracht (Abb. 1 (kleine Bilder anklicken) 1 – Schleppleine, 2 – Speisekabel, 3 – Tragbojen, 4 – Hohlstabgerät, 5 – Kabelschellen, 6 - Bug-Schwimmkörper, 7 – Heck-Schwimmkörper, 8 – Magnetkörper (mit Holzverkleidung), 9 – Ruder, 10 – Heißaugen, 11 – Flaggstock, 12 – Kabelanschlußkasten, 13 – Trittbrett, 14 – Bugschutz, 15 – Schleppauge, 16 – Trimmgewichte, 17 – Heck Minensucher

und Foto 1 ), welche das Magnetfeld eines großen Schiffes nachahmen und damit Magnetminen zur Sprengung brachten. Hohlstab-Geräte waren riesige Spulen, welche ihre Stromversorgung vom Schleppschiff her über ein Kabel erhielten. Dazu hatten die Minensucher für die Stromerzeugung sogar zusätzliche Räumgeneratoren. Die Verbände des Mittelteils, das ist der Hohlstab mit Spule und Holzverkleidung, und auch die Bug- und Heck-Schwimmkörper mußten besonders stabil (schock-resistent) gebaut werden, denn sie mußten die Explosion der Mine direkt darunter aushalten. Aus dem Grunde mußte auch das Schleppseil zum Minensucher mindestens 200 Meter lang sein. Der Nachteil der antriebslosen Hohlstab-Geräte bestand darin, daß sie wegen ihres großen Gewichts nur geschleppt, also nicht an Bord genommen werden konnten. Die Gefahr von Kollisionen mit dem Schleppfahrzeug bestand daher immer, besonders beim An- und Ablegen. Bei der DDR-Volksmarine wurden auch nach dem Krieg zwei Typen Hohlstabgeräte verwendet: ein 24-m-/50-t-Gerät und ein 13-m-/7,3-t-Gerät. Auch bei der Bundesmarine wurden in den Nachkriegsjahren noch Hohlstabgeräte gebaut und verwendet. Die Bezeichnungen wiesen jeweils auf die Länge in der KWL hin: HFG-12 (12 m langes Hohlstabfernräumgerät), HFG-15, HFG-17, HFG-18 und HFG-24). Das HFG-17 hatte z.B. eine Länge von etwas über 18 m bei 1,46 m Breite. Der Durchmesser des Hohlkörpers betrug dann 1,22 m.

Ebenfalls schon im Krieg wurden Minensprengringe an Flugzeuge (z.B. Ju-52) angebaut; nach dem Krieg auch an Hubschrauber. In neuerer Zeit schleppt bei der US-Navy ein Hubschrauber Sikorsky S-65 (Sea Stallion) beim System RH-53A einen Räumschlitten mit einer Magnetspule (Foto 2 ).

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!Ab den 1950er Jahren wurde bei der Bundesmarine das Minenabwehrsystem „Troika“ (russisches Wort für Dreigespann) entwickelt. Bei dieser Erfindung werden drei Hohlstäbe nicht, wie früher, unter Gefährdung des Schleppfahrzeugs durch das Minengebiet gezogen, sondern von einem Fernlenkboot aus unbemannt und ferngesteuert quasi „geschoben“. Die ersten Hohlstabfernräumgeräte wurden als WALROSS (84,7 ts/26,09 x 3,5 m/Ottenser Eisenwerke) und SEEKUH 1 bis 3 (SEEKUH 2 und 3: 90,08 ts/24,09 x 3,5 m/Blohm & Voss) von 1959 bis 1966 in Dienst gestellt. Die Erprobungsstelle 71 der Bundeswehr nutzte sie für Versuche für das spätere Serien-Troika-System. Sie hatten selbstverständlich einen eigenen Antrieb (WALROSS: 220 PS) mit einem Schottelpropeller. Für die Versuche mit den ersten vier Geräten wurde das kleine, nur 170 ts große Binnen-Minensuchboot NIOBE (Abb. 2 ) 1969 zu einem Lenkboot umgebaut.

Die achtzehn bei der Fa. Maschinenbau Kiel als Generalunternehmer zwischen 1980 und 1982 gebauten „frontreifen“ Hohlstabfernlenkgeräte (nicht -boote!)(Klasse 351) erhielten ihre Namen SEEHUND 1 bis 18 offensichtlich nach den im Jahre 1944 projektierten, jedoch nie zum Einsatz gekommenen Kleinst-Tauchbooten Typ „Seehund“ (Lüa. = 10,63 m). Blohm & Voss baute als Zulieferer die Rümpfe. Sie haben einen diesel-elektrischen Antrieb (12-Zylinder-Viertakt) vom maximal 320 PS, welcher die Energie für alle Anlagen an Bord liefert. Dazu zählen in der Hauptsache der Schottel-Antrieb, der normale und der Räumgenerator für die Magnetspule, die Schlepp- und die Ankerwinde, der geschleppte Tiefton- und die beiden im Vorschiff eingebauten Mittelton-Geräuscherzeuger. Beide Generatoren sind über Keilriemen an den Diesel-Motor angehängt. Sämtliche wichtigen Elemente der „Seehunde“ sind überproportional stabil gebaut und schocksicher, in der Regel mit Kegelstumpffedern, Elstomer- oder Drahtseildämpfern aufgehängt. Im Dezember 1981 wurde SEEHUND 5 vor Olpenitz angesprengt. Dabei zeigte sich, daß die geforderte Schockfestigkeit erreicht wurde. Nach der Unterwasserdetonation blieben alle (lebens-)wichtigen Teile voll funktionsfähig. Bei Ausfall der Funkverbindung zwischen Lenkboot und HFG ankert Letzteres automatisch. Die Drahtseildämpfer aus mehr oder weniger kräftigen Edelstahl sieht man heute bei allen Kampfschiff-Neubauten.

Die Geräte werden bis zum Einsatzgebiet und bei Revierfahrt von zwei bis drei Mann manuell gesteuert. Dort wird auf Fernsteuerung umgeschaltet, danach verlassen sie die „Seehunde“. Die „Seehund-Fahrer“ müssen eine besondere Seehund-Fahrerlaubnis erwerben. Die drei Geräte laufen dann in Dwars-Formation mit vorbestimmten Kurs und Abstand durch das Minengebiet. Die Magnetspule und die Mittelton-Erzeuger (in Höhe Spant 8/8,5 schrägliegend im Rumpf eingebaut) werden zugeschaltet und die Aussetzvorrichtung im Heck ausgeschwenkt und der Tiefton-Erzeuger (TT) für den Schlepp ausgefahren. In meiner Zeichnung habe ich rechts-oben diese Anlage so dargestellt. Nach dem Durchmesser der Windentrommel und der Anzahl der Lagen auf dieser Trommel kann man annehmen, daß das Schleppkabel etwa 20 bis 23 m ausgefahren werden kann. Der TT dürfte dabei auf eine Wassertiefe von etwa 12 m absinken. Diese Tiefe erklärt sich etwa aus der Schräge des Schlepparms am TT.

Als Lenkboote für das Troika-System wurden in den Jahren 1979 bis 1983 alle sechs Boote der SCHLESWIG-Klasse (SCHLESWIG, BADERBORN, DÜREN, KONSTANZ, WOLFSBURG und ULM) umgebaut (Abb. 4 ). Die Boote dieser Klasse waren ursprünglich die deutsche Variante der bewährten US-amerikanischen Küsten-Minensucher der BLUEBIRD-Klasse, mit Holzrümpfen und aus amagnetischen Metallen gebaut.

Beim Golf-Einsatz im Jahre 1991 kamen u.a. auch die Boote SCHLESWIG und BADERBORN mit ihren Hohlstabfernräumgräten zum Einsatz. Die erste Räumung mit einem HFG gelang am 3. März. Insgesamt wurden von allen beteiligten Marinen 1.239 Minen unschädlich gemacht, welche in Wassertiefen von 15 bis 35 Metern lagen. Interessant ist die Tatsache, daß in Seegebieten, welche von den Minenjägern (mit Minenjagddrohnen ausgerüstet) als minenfrei erklärt wurden, mit den „Seehunden“ noch Minen gefunden wurden. Das Troika-System hat sich im „scharfen“ Einsatz 1991 bestens bewährt. Aus dem Grunde wurde es nach der Außerdienststellung der Lenkboote der SCHLESWIG-Klasse von den Lenkbooten der neuen HAMELN-Klasse (Danke Herr Gaeth für die Fotos) (HAMELN, PEGNITZ, SIEGBURG, ENSDORF und AUERBACH) fortgeführt und neuerdings sogar zum System „Troika-Plus“, bei dem nun vier HFG von einem Lenkboot ferngesteuert werden, erweitert.

In meiner Zeichnung habe ich den Spulen-Hohlstab im Innern des „Rumpfes“ gestrichelt angedeutet . Er ist im Querschnitt kreisrund. Den Formschluß zur äußeren Bootsform bilden am Hohlstab angebrachte Holzspanten mit einer Holzbeplankung (Abb. 3 ). Vor-und Achterschiff sind hingegen aus Stahl gebaut. Der Bereich zwischen den Spanten 3 und 6 ist vollkommen prismatisch. Erst hinter bzw. vor den genannten Spanten schwenken die Rumpflinien ein. Die kleinen Geräte sind rund 25 Meter lang und über alles 4,62 m breit, dabei verdrängen sie fast 98 ts. Der Brennstoff-Vorrat beträgt 11m³ und die Geschwindigkeit maximal 9,4 kn. Bei 8,8 kn können 520 sm durchlaufen werden. Die Geräte können bis Windstärke 8 und See 4 eingesetzt werden. Bei Indienststellung hatten sie einen relativ kurzen Mast. So ist er in meiner Zeichnung dargestellt. Später wurden die Masten verlängert. Die runde Kugel an der Mastspitze ist der sog. Lunebergreflektor. Darüber und auf einem nach hinten ragenden Ausleger sitzen die beiden Fernsteuer-Empfangsantennen.

Bei der schwedischen Marine gibt es seit 1982 ein ähnliches System. Ein Boot der Minenjäger der LANDSORT-Klasse (360 ts/47,50 x 9,60 m/GfK-Rumpf/Voith-Schneider-Antrieb) dient dabei jeweils als Lenkboot für ebenfalls drei MCM-Katamarane SAM-01, 02, 04, 06 und 07 (26 ts/26,00 x 6,00 m/9kn). SAM-03 und 05 wurden recht frühzeitig zur Erprobung an die US-Navy abgegeben.

Im Internet habe ich relativ verläßliche Zeichnungsunterlagen von den „Seehunden“ gefunden, dabei waren auch einige Hauptspantschnitte und perspektivische Darstellungen. Bei der Kieler Woche 2006 konnte ich an Bord der „Seehunde“ ausreichend viele Detailfotos anfertigen. Durch all dies fühlte ich mich in der Lage, im Sommer 2012 einen vorbildgetreuen Modellplan im M 1:25 für ein Modell mit überschaubarem Arbeitsaufwand zu erarbeiten. Dieser Plansatz (Best.-Nr. pl063) hat folgende Teile: Foto-CD mit 57 Fotos in hoher Auflösung, Steuerbord-Seitenansicht, Draufsicht, Linien- und Spantenriß (selbst gegißt) und drei Hauptspantschnitte. Die CD kann getrennt als cd034 bestellt werden (juergen-eichardt@web.de oder Tel.: 0721-47040072).

Jürgen Eichardt

Weiterführende Literatur:

-      Hendrik Killi, „Minensucher der Deutschen Marine”, Verlag E.S. Mittler, 2002, ISBN 3 8132 0785 4

-      Kroschel, Steindorff, „Die Deutsche Marine 1955 - 1985“, Verlag Lohse-Eissing, 1985, ISBN 3-920602-30-7

-      Gerhard Koop/Siegfried Breyer, „Die Schiffe, Fahrzeuge und Flugzeuge der deutschen Marine von 1956 bis heute“, Bernard & Graefe Verlag, 1996, ISBN 3-7637-5950-6

-      Koll., „Deutscher Kriegsschiffbau heute“, Bernard & Graefe Verlag, 1982, ISBN 3-7637-5601-9

-      Koll., „Sperrgast“, Militärverlag der DDR, 1975

Bildtexte: 

Foto 1: Drei „Seehunde“ vor ihren heutigen Lenkbooten im Kieler Stützpunkt. (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 2: Fahrstand von SEEHUND 8 in einer Nahaufnahme. (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 3: Vom Brückendeck eines Lenkbootes aus fotografiert: drei „Seehunde“ im Bäckchen. Selbst bei der Lagerung vom Mast sieht man die Drahtseil-Dämpfung. (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 4: Damit die Winde beim Ankerziehen nicht die Federdämpfer (c) belastet, gibt es an der rechten Seite einen Stopper (a). Auf der anderen Seite hat die Winde einen normalen Spillkopf (b). (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 5: Die Schleppwinde für den Tiefton-Erzeuger. (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 6: Der Tiefton-Erzeuger in seiner "Heckaufschleppe", aus Edelstahl gebaut. (Foto: Jürgen Eichardt)

und noch eine bedeutsame Korrektur: "produziert", "befanden sich..." Hätten diese und viele andere "Wunderwaffen" das Kriegsergebnis noch gerissen? Wohl kaum, sie hätten diesen völlig unnötigen Krieg mit Millionen Opfer auf allen Seiten nur noch verlängert! Zumindest in drei deutschen Marine-Museen sind Stücke dieser Kleinst-Tauch-Boote zu sehen. Man fragt sich ernsthaft, wozu? Sorry, habe bei Wikipedia mal nachgelesen, es soll doch zu etlichen, verlustreichen Einsätzen mit "versenkter Tonnage" gekommen sein, ändert nichts an der von mir genannten Einschätzung...

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