Episoden, Gedankensplitter, Lustiges...

aus meiner Dienstzeit in der TS-Boots-Flottille der DDR-Volksmarine von 1965 bis 1968*

* die handelnden Personen und die Handlungen sind nicht frei erfunden, die Namen sind mir sehr wohl bekannt.

"Das TS-Boot ist ein Schienenfahrzeug"

Matrose M. war im Herbst von der Flottenschule in Parow in die TS-Boots-Abteilung versetzt worden. Die TS-Boote lagen schon auf Winterslip, Matrose M. kannte sie nur so. Winterslip bedeutet: sie wurden auf der Slipbahn, das sind schräg ins Hafenbecken laufende Schienen, auf je einem Slipwagen von einer mächtigen Winde aus dem Wasser gezogen und stehen nun, seitlich versetzt, den Winter über zum Austrocknen auf dem Slipplatz. Die von der Marineschule kommenden Neulinge wurden über die TS-Boote, ihr künftiges Arbeitsfeld, geschult und mußten in einer kleinen Prüfung ihr Wissen darlegen. Matrose M. trat etwas verschüchtert vor die Prüfungskommission und hub an, seinen Vortrag zu halten: "Also, das TS-Boot ist ein Schienenfahrzeug...."

"Bastelfreund" Hubert W.

Auch Hubert W. trieb im Grunde der Schiffsmodellbau zur Volksmarine. Ich lernte ihn kennen, als er während der Maschinenwache ("Joggeln", d.h. Erzeugen von Bordstrom) im Maschinenraum des Wohnschiffs so nebenher an den Geschütztürmen für sein neues Modell, ein Zerstörer der Bundesmarine von der HAMBURG-Klasse, herumschliff. Ein Modell der HAMBURG-Klasse - und das bei der DDR-Volksmarine! Hubert war ein begnadeter Modellbauer, mit ausgefallenen Ideen. Einen besonderen Gag hat er "vom Stapel gelassen", als er einen herrlichen Sarg, natürlich mit allen Details als Fahrmodell mit Propeller und Fernsteuerung gebaut hat. Mit dem schwarzen Ding und mit den Goldverzierungen hatte er die Aufmerksamkeiten und alle Lacher auf seiner Seite...

Hubert W. (der kleinere) und JüEi an Bord des Wohnschiffs H-weiß nicht mehr?

Wenig später baute er ein wirklich vorbildgetreues, kleines Landscheißhaus. Richtig schön mit Herzchen in der Tür, mit Schieberiegel, mit einem täuschend echten Scheißhaufen in der Ecke, kleine Papier-Zeitungsabrisse zum Arschabwischen auf einen Nagel gespießt und schmutzige Sprüche an den Wänden. Diese, nur als hervorragend gelungene "szenische Darstellung" zu bezeichnende Modellausführung stand bei der wöchentlichen Spindkontrolle ganz vorn im Spind von Hubert W. Der ACH (Abteilungschef der TS-Brigade) fand das nicht so zum Lachen. Vielleicht durfte er auch nicht lachen, er war ja der ACH? Er befahl auf der Stelle das Modell-Scheißhaus zu zerstören und in die Mülltonne zu werfen. Er hatte jedoch nicht mit der Hartnäckigkeit vom Hubert gerechnet, denn bei der nächsten Spindkontrolle stand es, fast eine Provokation, sorgfältig repariert und in alter "Schönheit" wieder im Spind und wieder vornan...

"Im Laufschritt - Marsch!"

Eigentlich sollten auch die Matrosen "gut zu Fuß" sein. Deshalb war von der "Führung" angestrebt, daß monatlich ein Ausmarsch der gesamten TS-Boots-Abteilung als "Härtetest" über viele Kilometer stattzufinden hatte. Das riesige Militärgelände der Halbinsel Bug auf Rügen bot dazu ideale Bedingungen. Die Abteilung nahm in Dreierreihen Aufstellung und ab ging es zum nicht so sehr beliebten "Gewaltmarsch!". Der ACH höchstpersönlich kommandierte, etwas hinter der Abteilung und links außen laufend. Im linken Glied Obermatrose Eichardt, der E-Mix vom Boot 2. Mitten im Marsch kam plötzlich, vom ACH als kleine "Auflockerung" gedacht, der Befehl "Im Laufschritt...". Die Abteilung winkelte, wie in der Dienstvorschrift vorgesehen, die Arme an und wartete auf den nun unmittelbar darauf folgenden Ausführungsbefehl "...Marsch!", wonach man dann rennen sollte, möglichst auch im Gleichschritt. Obermatrose Eichardt winkelte auch die Arme an, jedoch spreizte er sie zusätzlich, von hinten gut sichtbar, übertrieben seitlich nach oben, so als ob er gleich zu fliegen beginnen will. Der ACH traute seinen Augen nicht. Er befahl nicht "Marsch!" sondern "Zurück!". Nach einer Weile wieder der Befehl: "Im Laufschritt...", wieder spreizt der E-Mix die Arme seitlich hoch, wieder "Zurück" und ein dritter Versuch: "Im Laufschritt...". Dem ACH reicht es nun, er befiehlt "...Marsch!". Obermatrose Eichardt fliegt aber nicht, sondern rennt wie alle anderen auch.

Das Ganze hatte Folgen, natürlich. Am Abend, nach Dienstschluß, kommt mein Kommandant, Leutnant R., Deckname "Messerklinge", im Trainingsanzug (so kannte ich ihn noch nicht) in die Kammer: "Genosse Eichardt, ich habe vom ACH den Befehl, mit Ihnen ein Sondertraining durchzuführen". Okay, dachte ich, Sondertraining, wird lustig. Wir, also auch ich, zünftig im Trainingsanzug, gingen zum Sondertraining raus in den naheliegenden, fast hätte ich Sonderwald gesagt, Wald. "Messerklinge" lief hinter mir. Auf einmal sein Befehl: "Im Laufschritt.....!" Ich winkle wieder auf meine Weise die Arme an und auf ".....Marsch!" renne ich los. Jedoch hatte der Kommandant leider versäumt, mir zu sagen, wie schnell ich denn laufen solle. Ich war ein guter, schneller und ausdauernder Läufer zu der Zeit... Seinen Befehl "Stop! Genosse Eichaaaaaaardt" hatte ich jedenfalls nicht mehr gehört, ebenfalls leider. Das hatte nun aber keine Folgen mehr. Er hatte den ACH-Befehl ausgeführt und wollte ja im Grunde auch nur seine Ruhe haben...

"Flaggenparade"

Wenn ich mich recht entsinne, wurde im Stützpunkt jeden Tag früh 8.00 Uhr und abends bei Sonnenuntergang die sogenannte Flaggenparade auf allen Schiffen und Booten im Hafen durchgeführt. Auf jedem Boot waren je zwei Matrosen dazu bestimmt, auf das Pfeifsignal vom größten Schiff im Hafen die Flaggen am Heck-Flaggstock und am Göschstock am Bug aufzuziehen bzw. am Abend einzuholen. Obermatrose Eichardt war für den Göschstock eingeteilt. Es goß aber früh um acht wie aus Kannen. Obermatrose Eichardt war ein kluges Köpfchen. Der Läufer der Flaggleine am Göschstock war so lang, daß er durch die winzige Klappenöffnung, durch die normalerweise die Ankerkette beim Ankermanöver geschoren wurde, bis in die Vorpiek reichte. Das kluge Köpfchen stand also trocken in der Vorpiek und hißte von dort unten aus die kleine Flagge vor, wie von Geisterhand getrieben. Diese Respektlosigkeit ergab dann prompt drei Tage Arrest. Leider konnte ich diese drei Tage nicht absitzen, weil just in den nächsten Sommerwochen ein größeres Manöver lief, ich nicht abgestellt werden konnte und es gab eine Bestimmung, daß, wenn ein Arrest nicht in soundsoviel Tagen angetreten werden konnte, er verfällt. Schade, so ist mir dieses Erlebnis "durch die Lappen gegangen".

"Atze D."

Kennen Sie Obermatrose "Atze" D.? Sie kennen "Atze" D. nicht? Ich erzähle Ihnen halt von dem. "Atze" war Kraftsportler. Stand er auf Wache, so knetete er die zwei Stunden ununterbrochen Gummibälle mit den Händen. Man sagt, die Knicke in den Rohren der Reling vom Wohnschiff hat "Atze" mit der Handkante reingehauen. Wenn er in eine andere Abteilung versetzt wurde, brauchte er zwei Mann zum Transport seiner Gewichte und Hanteln. "Atze" hielt nicht viel, besser gesagt garnichts, vom Wäschewaschen. Und weil er ein guter Rechner war, hatte er gleich zu Beginn seiner dreijährigen Dienstzeit bei der Marine eiskalt ausgerechnet, daß die sechs Garnituren Unterwäsche, die jeder Matrose bekam, jeweils ein halbes Jahr zu tragen ist. Halt ungewaschen, was soll´s? Kraft ist doch entscheidend! Nach dem halben Jahr wurde die Wäsche jeweils eng zusammengerollt, mit einem Stein beschwert und im Hafenbecken versenkt.

Nicht, daß vielleicht beim Leser nun der Eindruck entsteht "Atze" sei unsauber, im Gegenteil, er war sehr reinlich. Er ließ es sich z.B. nicht nehmen, pünktlich und ausnahmslos jeden Sonntag früh zu duschen. Wer das einmal gesehen hat, wird es nie vergessen: "Atze" ging nackt den langen Mittelgang durch das Wohnschiff in Richtung Duschzelle: mit erregiertem, Sie wissen schon was, darüber das Handtuch gehängt, in der Linken den Zahnputzbecher in der Rechten die Seifendose...

"Strandgut"

Stabsmatrose Klaus S. hatte ein eigenartiges Hobby. Er sammelte Flaschenverschlüsse und Korken von Schnaps-Flaschen usw. Und die gab es in reichlicher Menge am Weststrand der Halbinsel Bug, angeschwemmt als Strandgut. Und weil diese ganze Halbinsel, mit Ausnahme des Marinestützpunktes in ihrem nördlichen Teil, im Grunde menschenleere Wildnis war, blieb alles Strandgut, auch Flaschenverschlüsse, unberührt, bis denn Stabsmatrose S. kam. Seine Sammelleidenschaft war auf die dienstfreie Zeit am Sonntag beschränkt. Er verzichtete sogar auf das Mittagessen und machte sich meist schon am Vormittag auf in Richtung Südbug. An vielen Flaschenverschlüssen oder Korken war noch die Flasche dran, über Bord geworfen von irgendeinem Seemann draußen auf den Ostsee-Zwangswegen. Und in vielen der Flaschen war noch ein mehr oder weniger großer Rest, man nennt es wohl Neige? Und Klaus S. wäre nicht Klaus S. gewesen, wenn er diese Reste nicht verkostet hätte, quasi im Selbstversuch, man gönnt sich ja sonst nichts (alles). Und so kam es, daß unser Sammelfreund am Abend oft ziemlich bedüdelt zur Nachtruhe wieder "im Objekt" einlief...

Blick zum Südbug

Ich selbst, JüEi, fand den Südbug und die unberührte Natur dort unten auch sehr interessant, doch aus einem anderen Grund. Ich schulterte mir sonntags nach dem Mittagessen - nein, auf das Essen konnte ich nicht verzichten - die große Leckwehraxt und ging - Bäume fällen. Nun, nicht gerade mächtig gewaltige, das wäre ja in Arbeit ausgeartet, sondern mehr die schon etwas kranken, morschen, weil das schneller ging und der Spaßfaktor höher war. Einmal traf mich ein gehöriger Schlag von oben. Ein armdicker Ast hatte sich weiter oben gelöst und mich fast erschlagen. James*, dachte ich noch schnell, jetzt mußt du stehen bleiben, dir kann hier keiner helfen. Jeder Waldarbeiter trägt normalerweise einen Schutzhelm, aus gutem Grund. Ich blieb stehen und bei Bewußtsein und sah schon das Blut über meine Augen tropfen. Aha, Blut dachte ich. Die 7 von der Narbe sieht man heute noch unter meinen Haaren...

Für meine Ausflüge zum Südbug habe ich später eine fürchterliche Schabracke von Damenfahrrad benutzt, das ich irgendwo gefunden hatte. Der Südbug war, wie gesagt, menschenleer. Also fuhr ich im Sommer nackt. Man stelle sich das vor: ein nackter Matrose fährt am Strand entlang - auf einem Damenfahrrad. Ich habe auch etwas gefunden: Eine schöne große Orange, die ich selbstverständlich gegessen habe, was sonst, und eine Armbanduhr, eine wasserdichte, die sogar noch ging...

* James war bei der VM mein Spitzname, frei nach James Bond, obwohl ich nicht einen einzigen dieser Filme gesehen hatte.

"Mitternachtsmahl"

Eigentlich war für das "leibliche Wohl" der TS-Bootsbesatzungen immer gut gesorgt, der sog. "Verpflegungssatz" war entsprechend hoch. Doch nichts ist so gut, daß man es nicht noch steigern kann. Maat E. hatte sich für rein "privaten Gebrauch" einen Nachschlüssel für die Verpflegungslast des Wohnschiffs gemacht. Eine zeitlang "nächtigte" er mit in der Matrosenkammer. So hörte man oft schon kurz nach der "Nachtruhe" seine gestöhnten Fragen aus seiner Koje ganz oben (die Matrosenkammern hatten drei Kojen übereinander!): "Auf was habe ich denn Appetit, auf Heidelbeeren, auf Weintrauben oder auf Sauerkirschen? Kann mir da keiner helfen, verdammtundzugenäht!" Nach einer Weile: "Ich glaube, ich habe doch auf Weintrauben Lust". Und schon sprang er aus seiner Blechkiste, den Nachschlüssel schon in der Hand. "Und was wollt ihr?" Jetzt konnte jeder, der noch nicht eingeschlafen war, seine mündliche "Bestellung" abgeben....

Nach etwa zehn Minuten klappte wieder die Alu-Blechtür der Kammer und Maat E. stand mit zwei Armen voll Konservengläsern im Raum und verteilte die "Bestellungen"...

Jeweils zwei Boote der sogenannten Kampfkern-Abteilung hatten rund um die Uhr die sog. 10-Minuten-Bereitschaft. Die Boote waren aufgebunkert, Verpflegung war an Bord, die Luftflaschen auf 250 atü gefüllt (zum Anlassen der Hauptmaschinen), mit dem Hilfsdiesel wurde Strom erzeugt, damit der Kreisel auf voller Drehzahl lief, mit dem Kühlwasser dieses Motors wurden reihum die Hauptmaschinen "warmgefahren", damit kein Kaltstart nötig wurde usw. Sorry, ich komme vom Thema ab! Jedenfalls wurde Strom erzeugt, also auch nächtens! Und mit Strom kann man kochen, auch nächtens! Was lag näher, als einmal ein schönes ausgiebiges Mitternachtsmahl zu richten. Der Südbug war, wie erwähnt, unberührte Natur mit den herrlichsten Pilzen. Selbst ich als totaler Pilz-Laie habe mich am Pilzesammeln beteiligt. Es waren so viel Pilze zu finden, man hätte sie fast mit der Sense abschneiden können, so hat man halt nur die "geerntet", die man wirklich kannte: Maronen, Steinpilze, Butterpilze, Pfifferlinge - Schluß! Es gab in echter Butter und mit Zwiebeln gebratene Pilze. Mmmmmmmh! Ein anderes mal gab es Leber mit Kartoffelbrei. Dazu konnte jeder im Voraus seine Bestellung bei Maat E. abgeben. Punkt Mitternacht wurde stets das Mahl im 8-Mann-Deck eröffnet. Einmal kam der Kommandant (sie wissen: Deckname Messerklinge) dazu. Der Duft des Gebratenen zog über die Boote im Bäckchen bis hinauf in die oberen Kammern des Wohnschiffs.

Zwei Matrosen brachten einmal ein Kaninchen geschleppt. "Wo habt ihr denn das her?" "Beim Bauer aus dem Kaninchenstall geklaut".... "Damit der nicht merkt, daß ein Tier fehlt, haben wir seine Katze in den Stall gesperrt, klasse gelle, könnt ihr euch vorstellen, wie blöd der morgen früh guckt, wenn seine Katze im Kaninchenstall steckt?"

"E-Nautiker Jörg P."

E-Nautiker Jörg P. war ein verkappter Student. Heute würde man sagen: leicht durchgeknallt; hatte den Kopf immer voller nichtsnütziger Ideen. Zum Beispiel "erfand" er, daß man die doch recht flache runde Abdeck-Kuppel des Radargeräts gut als "Wasserfahrzeug" benutzen konnte. Eines Tages jedenfalls war er zum Schrecken etlicher höherer Offiziere mitten im Hafenbecken mit einem Stechpaddel in der Kuppel unterwegs - nicht besonders schnell, aber immerhin......

An der Vorderseite der Radarmasten aller TS-Boote waren in halber Höhe vollkommen leere (!) Kästen aus Druckguß-Alu angebracht. Generationen von TS-Fahrern fuhren diese leeren Kästen auf den Weltmeeren herum, keiner störte sich an den leeren Gehäusen - bis E-Nautiker Jörg P. kam. P. fand, daß man das ändern mußte. Er schraubte den leeren Kasten bei unseren Boot ab und warf ihn ohne zu langes Nachdenken über Bord. Das Peinliche nur: er wollte nicht versinken. Jörg P., nicht dumm - er hatte ja studiert - fischte ihn wieder an Bord, schraubte den Deckel etwas locker, wo Wasser rein soll, muß ja die Luft raus können, und ein neuer Versenkungsversuch... Diesmal klappte er.....so nach und nach verschwanden alle Alukästen an den Radarmasten...

"Leckwehrmaterial"

Während einer Übung in See: Unser Boot schoß mit "4 x wahnsinnig" (alle vier Maschinen mit höchster Drehzahl!) durch die fast spiegelglatte Ostsee. Weil das Füllungsgestänge vom Fahrstand des LI´s oben auf der Brücke bis hinunter an die Einspritzpumpen an den Hauptmaschinen diverses Spiel in den Gelenken hatte, haben wir ein besonderes Klingelsignal verabredet, nach dem die kleinen Hebel an der Einspritzpumpe von Hand, in der Praxis jedoch meist mit den Füßen im Liegen (!), bis zum Anschlag gedrückt wurden. AK, oder 4 x wahnsinnig! Ich will aber etwas anderes erzählen: Wir schossen also so dahin, das Leben könnte so herrlich sein, als es auf einmal einen mörderischen Schlag gab. Unser Boot war bei voller Fahrt entweder auf ein treibendes Faß oder einen Balken aufgelaufen. Jetzt muß ich noch erklären, wie die Außenhaut unserer TS-Boote, im Flottenjargon "Kampfhölzer" genannt, beschaffen war. Auf die Sperrholz-Spanten, ich schätze, 30 bis 40 mm dickes Sperrholz, waren zwei Lagen Bretter, finnische Kiefer, diagonal aufgeplankt, mit einer Leinwand-Zwischenlage. Die beiden Lagen von etwa 12 cm breiten Brettern waren von außen mit Unmengen Kupfernägeln angenagelt, deren Spitzen innen gegen die Faserrichtung umgeschlagen waren. Man meint, eine solide Verbindung! Nicht, wenn so ein Boot "volle Kanne" auf ein Treibgut auffährt. Bei dem besagten Aufprall wurden, wie sich später herausstellte, zwei Bretter der Außenlage am Schiffsboden und ausgerechtet unter den Hauptmaschinen mitsamt den Kupfernägeln herausgerissen. Wasser drang nun in unzähligen kleinen Springbrunnen durch die Nagellöcher in den Rumpf. Der "2-Tsche" mit dem "Lenzpümpchen" wurde gestartet und die Ejektoren, die das Wasser durch das schnellaufende Boot aus den Rumpf saugen, wurden in Betrieb genommen. Es reichte jedoch nicht, wir drohten zu sinken. Und das bei herrlichem Sonnenschein. Es blieb nur eines: wir mußten die vielen Springquellen verstopfen. Per Funk wurde die Slipanlage im Stützpunkt alarmiert, damit wir beim Eintreffen im Hafen sofort aufgeslipt werden konnten. So saß denn die gesamte Besatzung da und schnitzte mit teils stumpfen Messern aus dem an Bord befindlichen Leckwehrmaterial (Bretter, Balken, auch gedrechselte, runde, kegelförmige Stopfen, um damit "im Gefecht" Einschußlöcher zu verschließen (!), ich komme vor Lachen nicht in den Schlaf!) kleine Mini-Keile, die in die Nagellöcher gedrückt wurden. Unter den Maschinen-Fundamenten war das jedoch nicht möglich... Wir sind nicht abgesoffen, wir haben uns gerade noch so in den Stützpunkt gerettet...

Jedem wird jetzt begreiflich, daß es ein einfaches und wirksames Abwehrmittel gegen Schnellboote ist, im bedrohten Seegebiet Balken und Baumstämme zu verstreuen...

Eine Abteilung TS-Boote bei AK-Fahrt in Kiellinie

"Hungerstreik"

...und so begab es sich, daß die Verpflegung in unserer TS-Boots-Abteilung zunehmend schlechter wurde. Lag es am lustlosen Küchenpersonal, an den "Rohstoffen" oder am kaputten Herd in der Kombüse, wer will das heute noch klären oder wissen? Eigentlich von der sonst guten Verpflegung bei den "fahrenden Einheiten" durchaus etwas verwöhnt, hatte wir die sprichwörtliche Nase voll. Speziell das Mittagessen war sehr mangelhaft geworden. Das essen wir nicht mehr, so die einhellige Meinung aller Matrosen. Die körperliche Teilnahme an den Essenszeiten war eine Dienstpflicht. Deshalb rückten wir zwar zum Backen und Banken in die Mannschaftsmesse ein, blieben aber vor den aufgebackten Mahlzeiten sitzen, ohne sie anzurühren. Der Kieler Matrosenaufstand zum Ende des ersten Weltkrieges begann bekanntermaßen mit Unzufriedenheiten über die Verpflegung! Es dauerte nicht lange, da stand als Ersatz für den defekten Herd eine Gulasch-Kanone - und die Stasi auf der Pier. Wir reden schließlich von einem ausgewachsenen Hungerstreik oder war es nur ein Boykott? Vermeintliche "Rädelsführer" wurden festgesetzt. Darauf beschlossen wir, spontan, weiterhin solange nichts zu essen, bis die Mannschaftsmitglieder wieder frei kamen. Weil aber selbst der schönste Hungerstreik mit leerem Magen keinen richtigen Spaß macht, mußten wir uns heimlich etwas anders ernähren: solidarisch wurde der Inhalt von Paketen unserer Angehörigen aufgeteilt, in der entfernt liegenden Kantine wurde gekauft und schließlich hatte ja Maat E. seit langem einen Nachschlüssel zur Lebensmittel-Last vom Wohnschiff (siehe oben). Nach paar Tagen hatte sich die Aufregung auf allen Seiten gelegt und der normale Dienstbetrieb konnte weitergehen - mit besserem Essen.

Übrigens gab es noch einen weiteren Boykott in der Dienststelle Dranske. Im Kulturhaus standen nur noch die nicht so sehr beliebten "Russenfilme" auf dem Programm. Der Verlauf verlief jedoch weniger spektakulär...

"Grußerweisung - schwere Geburt"

Erster "Landgang" nach vier Wochen Grundausbildung in der Marineschule Stralsund-Parow. Noch nicht einem Fuß auf ein Schiff gesetzt. Man hatte uns erstmal beigebracht, wie man als Matrose läuft, wie die korrekte Uniform auszusehen hat, daß man sich nie die Matrosenmütze klauen lassen darf und wie man andere Uniformierte zu grüßen hatte: rechter Unterarm und Hand gerade gestreckt, die Fingerspitzen an der rechten (!) Schläfe, Blickrichtung zum Gegenüber. Ich bin mit Matrose Bernd F. mit dem Bus nach Stralsund gefahren, Stadt und Mädels besichtigen. Wir steigen aus und wer kommt uns direkt auf dem Bürgersteig entgegen, Sie erraten es, ein dunkelblau Uniformierter. Einer von unseren Offizieren, denke ich in meinem jugendlichen Leichtsinn. Jetzt richtig grüßen: Blickrichtung, Fingerspitzen, Schläfe, Unterarm! Alles klappt wie am Schnürchen, also bist du doch zu etwas nütze! Der "Offizier" grüßt auch, Unterarm und Hand jedoch nicht so sehr gestreckt, fällt mir noch auf, na ja, "Längerdienender", denke ich noch. Paar Meter weiter fragt mich Bernd F.: "Weißt du, wen du eben gegrüßt hast?" "Na den Offizier da!" "Du hast einen Eisenbahner gegrüßt." "Was habe ich.....?"

JüEi, erst wenige Wochen in der Matrosen-Uniform

In der DDR sahen die Uniformen von Eisenbahnern und Marineoffizieren ähnlich aus. So grundfalsch war es nun aber auch wieder nicht, daß ich den Eisenbahner gegrüßte habe, denn streng genommen sollten sich nach den Dienstvorschriften alle Uniformierten gegenseitig grüßen. Also auch Postler, Feuerwehr usw., wurde nur nicht gemacht...

"Basteln wir eine Weihnachtspyramide"

Bei der DDR-Volksmarine war die Gefechtsbereitschaft auch über Weihnachten und Silvester gewährleistet. 50% der Besatzungen fuhr Weihnachten in Urlaub, meist die verheirateten, die andere Hälfte an Silvester. Bei Boot 4 kam man in der Vorweihnachtszeit auf die geniale Idee, wir basteln uns eine schöne Weihnachtspyramide. Aber nicht ein herkömmliche, ha ha ha, das kann ja jeder. Statt Räuchermännchen, Bergleuten, Engelchen, Schäfchen, Christi und Maria an der Krippe sollten nackte Girls umherkreisen. Das wäre endlich mal was, da kommt Stimmung auf! In der DDR gab es eine einzige Zeitschrift mit "freizügigen Fotos", das "Magazin", etwa DIN A5 groß, und regelmäßig mit einigen Aktfotos. Aus einem ganzen Jahrgang wurden die schönsten Nackedeis ausgeschnitten, auf Sperrholz geklebt und gaben so die Figuren für die "Weihnachtspyramide der besonderen Art". Verständlich, daß sich an diesen Bastelarbeiten auch freiwillig jene Genossen beteiligten, die sonst nicht viel mit Laubsägearbeiten und kleben und so am Hut hatten. Zu Weihnachten saßen jedenfalls die Matrosen mit leuchtenden Augen um ihre Weihnachtspyramide...

"Diesel-Übergabe"

Unsere "Kampfhölzer" waren etwa 65 t schwer. Davon entfielen, voll aufgebunkert, 11 t auf die Diesel-Tanks im Achterschiff. Die Menge war auch nötig, denn der Sprit floß in fingerdicken Leitungen zu den Hauptmaschinen. Sehr weit kam man also mit den vollen Tanks nicht, wenn lange Zeiten die höchsten Fahrstufen gefahren wurden. Die Werte für den Spritverbrauch konnte man anhand der Zeiten und Fahrstufen in etwa ausrechnen, denn man hatte vom stundenlangen "Meilelaufen" Erfahrungswerte zur Hand. Genauer war natürlich das Messen der Pegel in den Tanks mit einem speziellen Meßstab. Der LI hatte dafür Sorge zu tragen, daß man noch mit einem Rest Diesel wenigstens bis zurück zum Stützpunkt kommt. Soweit die Theorie. In der Praxis sah es einmal so aus, daß bei unserem Boot mitten auf der Ostsee, von Land keine Sicht, sich nacheinander alle vier Hauptmaschinen "verabschiedeten", wenige Minuten später auch die Joggel...Wir waren wie die Dummen umhergefahren, ohne an den Sprit zu denken. Glücklicherweise, ein junger Mensch muß auch mal Glück haben, konnten wir per Funk ein anderes TS-Boot herzurufen, das uns etwas Diesel übergeben sollte. Es herrschte ein übergabefeindlicher Seegang. Die beiden Boote krachten mörderisch mit den Scheuerleisten zusammen. Die speziellen elektrischen Übergabe-Pumpen gingen, wen wundert´s - natürlich nicht! Das Maschinenpersonal, also auch ich, war gefordert. Die kleine, handschwengelbetriebene Lenzpumpe wurde mit entsprechend langen Gummischläuchen versehen und so konnte die Diesel-Übergabe mühselig von Hand vonstatten gehen...Pumpen Sie mal 3 t Diesel auf schwankendem Deck, heute wär´ ich danach drei Wochen krank...

"Der E-Mix vom Boot 2 als Erfinder"

Nach jedem Stop der vier Hauptmaschinen mußte das Umlauföl in diesen mit einer Handpumpe aus den unteren Ölwannen zurück in den Vorratsbehälter gepumpt werden. Ein Nicht-Abpumpen hätte beim nächsten Maschinenstart die Kurbelwelle und vermutlich auch die Ölwanne selbst zerstört. Das Hand-Pumpen war gut zu machen, denn das Öl war fast 100° heiß und damit sehr dünnflüssig - wenn nicht die unerträgliche Hitze im Maschinenraum wär´ und der augenbrennende Dieselgestank! An Bord gab es auch Gasmasken, selbstredend für einen anderen Zweck gedacht. Einmal bin ich auf die Idee gekommen, zum Ölpumpen eine solche Gasmaske aufzusetzen. Und siehe da, es klappte. Unter der Maske verspürte man nix vom Dieselgestank.

Einmal im Winter, auf Slip, mußte ich allen Ernstes kaltes Öl von Hand aus einer Maschine abpumpen. Das hat Stunden gedauert, stellen Sie sich Maschinenöl in der Konsistenz von Honig vor! War schon nicht leicht, unser Dienst auf den 183ern, aber schön und immer lustig!

"Schiß nach achteraus"

An Bord gab es zwei Toiletten: ein Offiziers-WC und ein WC für "die vor dem Mast". Beide WC´s waren vom Typ her vollkommen gleich, feuerverzinkte Blechtrichter, ähnlich denen aus Edelstahl im ICE, Pumpkolben, Handhebel, Ventile, Rohrleitungen, Klodeckel mit Gebrauchsanweisung - sinnvollerweise an der Innenseite angebracht. Ich weiß bis heute nicht, ob unsere beiden Off´zes ihr "Örtchen" jemals benutzt haben. Das "WC" für die niederen Dienstgrade war jedenfalls vorn in der Vorpiek installiert. Es war in dieser, eigentlich Farbenlast, kaum zu sehen unter Leinen, Farbeimern, Werkzeugen und anderen seemännischen Gerätschaften. Wenn wir am Achterventil Druck verspürten, so gab es nur eines: Selbst bei voller AK-Fahrt der Gang zum Heck, man stellte sich hinter den Flaggstock, reckte den blanken Hintern möglichst weit über den Spiegel hinaus und hatte nur eine Bürgerpflicht: sich mit beiden Händen sehr sicher am Flaggstock festzuhalten...der Fahrtwind tat das Restliche

"FKK an Bord"

Die Bootsabteilung lag Ende April noch auf Winterslip. Die Sonne heizte aber schon sommerlich. Mehrere Besatzungsmitglieder hatten sich auf dem Backdeck zum FKK-Sonnen niedergelegt. Neben mir lag mein LM, Maat D., Plötzlich sagt er zu mir: "Haben sie saubere Hände, Genosse Eichardt?". "Ja" antwortete ich wahrheitsgemäß. "Dann dürfen sie mal meinen Schwanz auf die andere Seite legen."

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