20-mm-Flak-Vierling C35 der Kriegsmarine

20-mm-AA-quadruple-gun (Kriegsmarine)

Planausschnitt / plan section

Auf dem Freigelände der Hindenburg-Kaserne in Kassel steht dieser unvollständige C35-Waffenstand. Ich danke Herrn Waldemar Seiss für die Fotos.

Im Auto- und Technikmuseum in Sinsheim habe ich diese drei Fotos aufgenommen. Der Waffenstand ist hier auf einem Kettenfahrzeug installiert.

Zwei Werksfotos, das Aussehen entspricht weitgehend dem unserer Zeichnungen.

Diese beiden Fotos zeigen den Waffenstand mit Splitterschutz. Beim linken Foto ist ganz rechts hinter dem Sitz für den Kantschützen ein gepanzerter Stand für den (stehenden) Mann mit dem Entfernungsmeßgerät angebaut. Das E-Meßgerät liegt oben auf der Halterung. Beim rechten Foto ist dessen Länge gut zu erkennen.

Um die Trefferwahrscheinlichkeit von Rohrwaffen zu erhöhen, hat man schon seit alters her mehrere Geschütze in einer Lafette zusammengefaßt und gleichzeitig abgefeuert. Dieser Trend hat sich bis in die heutige Zeit erhalten. In neuerer Zeit rotieren mehrere Läufe um ein gemeinsames Zentrum – eine andere Form, um die Schußfolge extrem zu erhöhen. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurden vor allem bewährte Fla-Waffen in Lafetten auch zu zwei, drei, vier oder noch mehr Rohren zusammengefaßt. Bei der englischen Royal Navy wurden bei dem bekannten (40-mm-)2-Pfünder-Pom-Pom-Waffenstand (bereits 1930 entwickelt!) gar acht Rohre auf anfliegende Flugzeuge gerichtet.

Die Bezeichnung „C35 in Vierlingslafette C38“ läßt vermuten, daß dieser ähnlich konzipierte Waffenstand von Mauser bzw. Rheinmetall im Jahre 1935 entwickelt wurde. Vier gleiche Waffen C35 wurden dabei zu zwei Stück übereinander an die Stirnseiten einer flachen Scheibe montiert. Den schematischen Aufbau des Waffenstandes zeigt meine Skizze auf Blatt 2 unten. Auf einem Deckdrehsockel (a) steht ein gabelförmiger Träger (b). An den oberen Enden dieser Gabel gibt es eine Längsachse (c). Hier ist ein nach unten hängender U-förmiger Bügel (d) gelagert. Im mittleren Teil dieses Bügels ist die genannte Scheibe (e) gelagert. An den Flächen (f) sind die Waffen angebaut. Die Steckmagazine (je 20 Patronen) ragen dabei seitlich nach außen. Die leergeschossenen Patronenhülsen werden nach dem Innern der „Scheibe“ ausgestoßen und fallen danach durch einen Blechtrichter (g) nach unten in die beiden Hülsenfangkisten (h, obere Abbildung). Mit einem Handrad (j), vermutlich mit einem Kettentrieb (k) und durch ein Ritzel/Zahnsegment (l) wird der gesamte Bügel vom hinten sitzenden Kantschützen so eingestellt, daß er trotz Seegangs immer horizontgerecht steht. Der Kantrichtbereich beträgt dabei nach beiden Seiten 15 °. Dazu hat der Kantschütze eine Optik, welche an einem Träger (m) höhenverstellbar (verschiedene Körpergrößen) angebaut ist. Sein Sitz ist auf dem Arm (n) montiert. Die Fußstützen sind bei (h´) zu sehen. Am vorn herabhängenden Teil des Bügels (o) sind die beiden Sitze für die Richtschützen und die gesamte Ziel- und Richtmechanik angebaut. Damit diese schweren Teile diesen Bügel nicht auf Biegung beanspruchen, wird er gegen den gabelförmigen Träger mit Stützrollen (p) gehalten. Alle drei Achsen treffen sich im Punkt (q). Das ist bei Flak-Geschützen durchaus nicht immer so.

Auch bei diesem Geschützstand haben die Rohre ein beträchtliches Übergewicht nach vorn. Damit die Höhenrichtung ausgewogen ist, und diese vom Höhenschützen mit geringstem Kraftaufwand ausgeführt werden kann, muß dieses Übergewicht kompensiert werden. Dazu sind zum einen hinten zwei Gußeisengewichte (r) angebaut. Außerdem sind in zwei Rohren (s) Gegengewichte vorhanden. Sie hängen offenbar an Seilen oder Ketten, die über verdeckte Rollen (t) und von Rohren (u) geschützt zu Angriffspunkten innerhalb der „Scheibe“ fahren. Um die Achse (v) schwenkt die gesamte Visiereinrichtung, bestehend aus den beiden Hauptrohren (w) und (x), nach oben. Zwei Parallelogrammstangen (y) heben diese Einrichtung über die Hebel (z) an. Am linken Ende des x-Rohres ist ein Justier- und Einstellgerät (g´) angebaut, das auf den vorhandenen Fotos bei jeder Rohrerhöhung nach unten hängt. Neben der linken Fußstütze des links sitzenden Schützen ist ein kleiner Hebel (a´) vorhanden, den ich als Fußabfeuerung deute. Auf Fotos ist allerdings auch zu sehen, daß beide Fußstützen solche Abfeuerhebel haben (getrennte Abfeuerung der Waffen jeder Seite?). Aus der Konstruktion der Waffe ist nicht zu erkennen, welche der gekröpften Kurbeln (b´) für die Höhen- und welche für die Seitenrichtung bestimmt ist. Beim 37-mm-Waffenstand C/30 (vgl. MODELLWERFT 11/2005) ist ein ähnliches Justiergerät an der linken Seitenricht-Seite zu sehen. Daher ist anzunehmen, daß auch hier der Seitenrichtmann links sitzt. Über eine Einstellvorrichtung (c´) sind die Fußstützen den Beinlängen anzupassen. Über eine verdeckte Kardanwelle (e´) wird die Seitenrichtung in den Decksockel geführt. Um die Belastungen durch Seegang auf das Schwenkgetriebe auszuschalten wird der Waffenstand in Ruhestellung mit zwei Spannschrauben (k´) gegen das Deck verspannt. Der Kabelanschluß (j´) ist sicherlich jener für das tragbare Entfernungsmeßgerät. In meinen Zeichnungen sind nicht immer alle E-Kabel eingezeichnet.

Bei dem Waffenstand in unserer Zeichnung sind an jeder Seite neun schräg liegende Steckhalterungen (d´) für Vorratsmagazine in Längsrichtung angebracht. Auf Fotos erkennt man, daß es auch Waffenstände mit sechs Halterungen an jeder Seite in Querrichtung für insgesamt 24 (!) Magazine gegeben hat. Die gerändelten Flächen (f´) an den Rohren sind übrigens Griffsicherungen für den Rohrwechsel. Einige Waffenstände hatten Splitterschutz, wie man ihn auf den Fotos 1 bis 3 sieht. Das Foto 3 zeigt offenbar einen Versuchs-Waffenstand, bei dem der E-Meß-Mann, der sonst mit dem tragbaren Entfernungsmeßgerät nebenan auf Deck steht, in einer gepanzerten Stütze hinter dem Kantrichtsitz steht. Das abgelegte E-Meßgerät mit den gummigepolsterten Enden sieht man oben liegen.

Interessant sind noch die folgenden Zahlenangaben: Je Handradumdrehung beträgt die Seitenrichtung wahlweise 5°50´ oder 11°40´(Schnellverstellung). Bei der Höhenrichtung können 4°30´ oder 9° eingestellt werden. Bei der Kanteinrichtung beträgt eine Handradumdrehung 9°40´. Es sind daher etwa drei Radumdrehungen nötig, um Waffe von ganz links nach ganz rechts (30°) zu kanten. Die Feuergeschwindigkeit je Waffe (!) betrug sehr gute 400 bis 450 Schuß/min. Jede Waffe entwickelte dabei einen Rückstoß von 290 kg. Das Gesamtgewicht eines Waffenstandes betrug 2,39 Tonnen.

Die Zeichnungen entstanden nach einem recht gut und detailliert gezeichneten, mehrteiligen sog. Schmierplan.

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