9,2-m-Motorpinasse (Zerstörer-Pinasse)

9,2-m-motor launch

Planausschnitt / plan section

Originalfoto an Bord von Z39. Das Beiboot wird mit vier Heißstropps von einem Bootskran ausgesetzt.

Eine gut erhaltene und restaurierte Zerstörer-Pinasse in heutigen Tagen...

Auf den Kampfschiffen der deutschen Kriegsmarine wurden Motorbeiboote in unterschiedlichen Größen gefahren. In der Literatur findet man Bezeichnungen wie Dingi, Jolle, Barkasse, Pinasse, jeweils mit dem Vorsatz Motor-, aber auch Verkehrsboot und Chefboot und ähnliches. Ich habe mir angewöhnt, zu meiner eigenen Titulierung bei den Bezeichnungen die Länge über die Steven in Meter zusätzlich mit anzugeben, weil dieses Maß als einziges als relativ sicher gilt. So wird die Bezeichnung eindeutiger - wenn man exakte Typenbezeichnungen schon nicht kennt...

Hier soll es um die 9,2-m-Motorpinasse gehen. Weil diese Boote in einem oder zwei Exemplaren häufig auch auf den Zerstörern zu sehen waren, habe ich sie im Untertitel „Zerstörerpinasse“ genannt. Auf einem Foto sehen wir ein solches Boot gezurrt in seinen Bootsklampen an der Steuerbordseite eines Zerstörers (Z39). Wobei zu erwähnen ist, daß die Zerstörer auch ähnlich große Boote ohne die „Hütte“ im mittleren Teil fuhren. Die Motorbeiboote hatten bis auf die etwas schlankeren Chefboote gedrungene, völlige Rümpfe, die aber wegen den besonderen Linienformen schönen, jachtähnlichen Charakter hatten. Gelegentlich sieht man heute noch Motorbeiboote aus der Zeit der Kriegsmarine in gut restauriertem Zustand als Freizeitjachten fahren. Von einem solchen Boot, vermutlich eine ex-9,2-m-Motorpinasse, hat mir Herr Wolfgang Beu die abgebildeten Farbfotos gesendet. Auch dieses Freizeitboot trägt heute einige Veränderungen gegenüber dem Originalzustand und Zugeständnisse an die Moderne. Für seine Hilfe möchte ich mich bei Herrn Beu herzlich bedanken.

Die 9,2-m-Motorpinasse ist ein aus Holz (überwiegend Eiche) gebautes, gedecktes Mehrzweck-Arbeitsboot. Bei den Angaben zur Breite sollte man immer sehr vorsichtig sein, weil man nie sicher sein kann, ob die Breite „auf Mallen“, die Breite über die Außenhaut oder die Breite über die hier stets angebrachten Scheuerleisten gemeint ist. Die zutreffenden Angaben haben sich über die Jahrzehnte vermutlich längst verloren und die tatsächlichen Längen/Breiten-Verhältnisse aus den zuweilen kursierenden Skizzen nicht mit Sicherheit herauszumessen sind. Kiel und Steven sind aus mehreren Teilen zusammengesetzt. Der außen liegende Teil von Kiel/Vorsteven hat den üblichen trapezförmigen Querschnitt. Die Außenkante ist oftmals mit einem Flacheisen bewehrt. Beim Durchgang der Propellerwelle ist der Kiel entsprechend breiter gemacht. Üblicherweise waren diese Beiboote doppelt diagonal (45° zum Kiel) oder auch diagonal-krawel (Außenlage dabei in Längsrichtung) beplankt, mit einer Zwischenlage von sog. Nesseltuch. Im Innern ist ein solcher Bootskörper mit eingebogene Spanten, Querschotten und Stringern versteift. Ein Stringer sitzt z.B. in der Regel in Höhe der unteren Scheuerleiste.

Im Vorschiff ist der (Diesel-)Motor eingebaut. Das können verschiedene Motorentypen sein. Der Motorenraum ist bei diesem Boot nur durch ein ovales Mannloch (a) zugänglich, für den Motorwechsel gibt es eine große Montageluke (b). Der fünfteilige Windschutz (c) ist abnehmbar. Hinter dem Windschutz findet man einen kleinen Kompaß und rechts davon eine Box mit Motor-Anzeigegeräten. Der Steuermann steht auf einer losen Gräting. Rechts neben der Gräting ragt der Umsteuerhebel (d) vom Boots-Wendegetriebe aus den (wegnehmbaren) Flurplatten nach oben. Die „Hütte“ ist gerade so hoch, daß man gerade so darin stehen kann. Sie ist von der Steuerplicht (der offene Raum vor der Hütte) und von der achteren Plicht aus zugänglich. Das Dach der Hütte und das Deck dürfte, wie in anderen Fällen auch, mit Alu-Blech und einer Linoleum-Auflage beplankt sein. Die Achterplicht hat rundum seitliche Sitzbänke mit Polsterkissen, darunter Staukisten. Damit die Ruderanlage im Heck für Reparaturen zugänglich ist, ist die Rückwand mit einem Deckel (e) zu öffnen.

Die Pinasse wird mit einem Bootskran an Bord bewegt, auch auf Zerstörern. Die vier Heißstropps werden dazu in Heißaugen (f) eingeschäkert. Auf dem Foto vom Zerstörer ist dieser Zustand gut zu sehen. Die anderen Details (Belegklampen, Klüsen, Flaggstöcke, Haltestangen, Poller, Lüfterhuzen) sind aus den Zeichnungen gut ersichtlich. Die freiliegende Propellerwelle wird vor dem Propeller von einem Stützlager getragen. Dieses ist nach unten zu einer gewölbten Ruderhacke verlängert, damit Grundberührungen mit Propeller und Ruder ausgeschlossen werden. Im leicht gewölbten und etwas geneigten Heckspiegel erkennt man an Backbord die Auspufföffnung vom Motor. Auf Fotos ist zu sehen, daß im normalen Bordbetrieb viele abnehmbare Details (Haltestangen, Flaggstöcke und selbst die Windschutzscheiben) nicht immer vorhanden waren. Denkbar ist, daß auch diese Pinassen mit zusätzlichem Zubehör ausgestattet waren: Rettungsring, Festmacherleinen, Bootshaken, Feuerlöscher, Waterlampe (Handscheinwerfer) zum Signalisieren, Anker, Ankerseil...

Stimmige Original-Linienrisse von den Motorbeibooten habe ich nicht. Deshalb habe ich es in jedem Fall unternommen, Linien- und daraus resultierende (stimmige) Spantenrisse selbst zu straken. Man kann dabei nicht sehr viel falsch machen, wenn, wie in den meisten Fällen, die Außenkonturen (Linie vom Außenhauteinlauf in den Kiel, „Deckssprung„, Form vom Spiegelheck, Decksumriß) bekannt sind, wenn man einen möglichst zutreffenden Hauptspantschnitt konstruiert und wenn man ein räumliches Vorstellungsvermögen hat. Alles andere ist eine Fleißarbeit mit Straklatten und -gewichten, natürlich in einem möglichst großen Maßstab (ich arbeite hier 1:10). Im vorliegenden Fall war es insofern einfach, weil ich mich eng an den bereits vorliegenden, ebenfalls von mir ausgestrakten Linienriß vom sehr ähnlichen 11,5-m-Verkehrsboot halten konnte. Auch die 7,7-m-Motorjolle, die ich demnächst bearbeite, hat einen fast identischen Rumpf. Bei diesen Beibooten ging es schließlich nicht um eine jeweils optimale Bootsform.... vielmehr um eine recht große Verdrängung und um eine einfache Herstellung in der Serienproduktion. Über die Farbgebung mache ich auch hier bewußt keine Angaben, weil sich diese nach dem Tarnschema des gesamten Schiffes richtet.

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