Deutsche Minensuchgeräte

German mine sweeping gears (Kriegsmarine WW II)

 

Die beiden Planbögen zeigen zahlreiche Minenräumgeräte in Mehrseiten-Ansichten (M 1:25), welche auf den Kampfschiffen der deutschen Kriegsmarine in der Zeit des Zweiten Weltkrieges gefahren wurden.

Deutsche Minensuchgeräte

Thema dieser Schiffsdetail-Zeichnungen sind die Minensuchgeräte, wie sie auf den Kampfschiffen der deutschen Kriegsmarine – nicht nur auf den Minensuch-Fahrzeugen – in der Zeit des Zweiten Weltkrieges gefahren wurden. Wichtigste Arbeitsgrundlage für meine Zeichnungen war in diesem Fall der „Atlas der Minenräumgeräte“ Heft B. Er wurde am 25.1.1946 (!) von der „Deutschen Minenräumdienstleitung“ als Minenräumdienstvorschrift Nr. 11 herausgegeben. Es versteht sich von selbst, daß die in dieser Vorschrift dargestellten Geräte so kurz nach dem Krieg zu 100% jene waren, die noch vor kurzer Zeit benutzt wurden. Ähnlich sah es übrigens auch bei der damaligen Seepolizei der DDR aus. Auch hier waren die ersten Minenräumgeräte Restbestände der Kriegsmarine, welche auf einigen von der Sowjetunion Mitte des Jahres 1951 aus Kriegsbeute übergebenen R-Booten gefahren wurden. Und selbst bei den ersten Neubauten von Minensuchern (SCHWALBE-Klasse usw.) erinnerten die Konstruktionen sehr an das Gerät der Kriegsmarine. Auch die HABICHT-Klasse sah den letzten Minensucherbauten der Kriegsmarine zum Verwechseln ähnlich.

Auf Blatt 1 habe ich links-oben die wohl aufwendigsten Minenräumgeräte, die sog. Räumottern, dargestellt. Diese ursprünglich „Paravanen“ genannten Geräte sind eine Erfindung der Engländer. Erst nachdem eine verlustig gegangene Paravane auf einer deutschen Nordseeinsel angeschwemmt wurde, erhielt man in Deutschland Kenntnis von dieser sinnreichen Konstruktion. Räumottern werden meist zweiseitig als sog. Bugschutzgerät an einer Spiere vor dem Schiff gefahren (Abb. 1). Bei den Spieren gibt es verschiedene Formen. Die deutschen Schiffe hatten meist schräg im Rumpf eingebaute und nach vorn-unten ausfahrbare Spieren (Abb. 2, Beispiel Minensuchboot Typ 35). Minensucher, Torpedoboote, einige Zerstörer, Kreuzer und Schlachtschiffe waren so ausgestattet. Und selbst der unfertige Flugzeugträger GRAF ZEPPELIN und die geplanten Schlachtkreuzer und Schweren Kreuzer sollten offenbar Bugspieren erhalten. Ihr Nachteil: waren sie auch nur leicht verbogen, konnten sie nicht mehr eingefahren werden! Es gab aber auch Klappspieren (Abb. 5), die am zumeist geraden Vorsteven nach vorn-unten heruntergeklappt werden konnten oder auch Y-förmige Spieren (Abb. 6), die Gelenke an den Bordseiten hatten und ebenfalls nach unten klappten. Die jeweilige Schrägstellung wurde mit Standern eingestellt. Die einfachste Art (u.a. oft auch bei italienischen Schiffen zu sehen) war die, daß man die beiden Räumleinen einfach durch Bohrungen oder Durchbrüche am untersten (Vor-)Stevenfuß schor (Abb. 7, Beispiel englische Sloop der BLACK-SWAN-Klasse). Eine andere Art, Räumleinen am Bug zu befestigen, sah man z.B. bei den schwedischen Zerstörern der ÖLAND-Klasse. Hier ließ man offenbar einfach einen Rahmen mit den durchgeschorenen Räumleinen am Bug nach unten gleiten (Abb. 8).

Im ungünstigsten Fall trifft eine Bleikappe einer Ankertaumine direkt auf die Spiere. Die Mine detoniert so ein ganzes Stück vor dem Bug, zerstört auf jeden Fall die Spiere und ein Teil des Vorschiffs, was aber nicht zu dramatisch wäre. In jedem anderen Fall werden das Minen-Ankertau und die daran hängende Mine (das Minengefäß) durch die Räumleine (a) seitlich vom Schiff weg bis hinaus zur Otter mit ihrem Schneidgreifer (b) abgeleitet. Der Schneidgreifer zerschneidet das Minen-Ankertau, das Minengefäß taucht auf und kann gesprengt oder mit Bordwaffen abgeschossen werden.

Auf Blatt 1 habe ich rechts-oben einen Schnitt durch einen derartigen Schneidgreifer gezeichnet. Darin ist eine Schere (c) eingebaut. Gerät das Minen-Ankertau (d) in die Schneidschnäbel dieser Schere, so wird diese durch die Fahrt des Schiffes (und der Otter) nach hinten gedrückt. In die Enden der langen „Scherengriffe“ sind Kugellager (e) eingebaut. Diese rollen auf einen eingebauten Keil (f) auf und bewirken das Durchschneiden des Minen-Ankertaus. Danach zieht eine Feder (g) die Schere wieder vom Keil herunter und öffnet damit die Schnäbel für den nächsten Schnitt.

Ausgesetzt wird die Räumotter von einem Otterkran, welcher nahe der Lagerstelle der Otter meist an Seite-Deck aufgestellt ist oder aufgestellt werden kann. Beim Aussetzen der Otter hängt diese mit dem sog. Beiholer (h) an einem Heißband (j). Zwei Stropps sind in ihren Längen so ausgeführt, daß beim Aufholen der Otter mit dem Otterkran diese nur mit (k) am Heißband hängt (l ist dann lose!). Umgekehrt ist der Stropp (k) lose und nur (l) „trägt“, wenn die Otter im Einsatz ist und die lange Beiholerleine an der Öse am hinteren Ende des Schneidgreifers durch das Wasser geschleppt wird. Würde in dem Fall auch (k) tragen, so könnte sich die Otter nicht frei bewegen.

Alle Räumottern haben um ihren „Bug“ herum einen Schutzbügel (m). Dieser ist dazu da, daß ein Minen-Ankertau, welches zufällig auf die Otter trifft, entweder zum Schneiden in den Schneidgreifer geführt oder nach außen abgeleitet wird, also auf keinen Fall an der Otter verhaken kann. Japanische und italienische Ottern haben solche Schutzbügel auch noch zu den Enden der Schwerfläche hin. Somit ist auch ein Einhaken des Minen-Ankertaus an diesen Stellen ausgeschlossen. Die links-oben dargestellte Räumotter O.L.Q.I ist eine Leichtmetall-Otter, hier gezeichnet als Backbord-Otter. In Fahrt steht die Scherfläche (n) immer senkrecht. Unten ist ein Eisengewicht (o) und oben ein Holzschwimmer (p) angebaut. Das „Heck“ der Otter ähnelt dem eines Torpedos. Im Schwanzstück ist ein recht komplizierter Tiefensteuerapparat eingebaut, welcher u.a. mit Federn und 8 kg Quecksilber ausgestattet ist, auf Wasserdruck reagiert und die Otter über zwei Steuerflächen (q) auf eine voreingestellte Tiefe steuert. Für eine funktionierende Tiefensteuerung ist eine Mindestfahrt von 5 bis 7 kn zwingend nötig. Wird diese Fahrt unterschritten, taucht die Otter durch ihren Restauftrieb auf. Am Ende des Schutzbügels (m) wird oftmals die Spurbojenleine (r) angeschäkelt. Die beleuchtete Spurboje zeigt den Standort der Otter bei Nacht und schlechter Sicht an. Bei einer Steuerbord-Otter ist das Heißauge am Heißband nach der anderen Seite gedreht.

Die Räumotter O.R. ist eine Stahlausführung. Von der O.R. sind folgende Zahlenangaben interessant: Mindestfahrt 8 kn, Höchstfahrt 21 kn, geringste Tiefe 6m, größte Tiefe 50 bzw. 100 m, Gewicht 450 kg, Restauftrieb 40 kg, Schwankungen der Tiefensteuerung bei 6 bis 20 m etwa 20% und bei 25 bis 100 m Tiefe etwa 10%. Sobald in den Tiefensteuerapparat eine sogenannte 100-m-Feder eingebaut ist, die ein Steuern bis maximal 100 Meter Tiefe ermöglicht, ist am Schwanzstück der Otter in weißer Farbe beidseitig die Zahl 100 aufgemalt. Unten habe ich noch eine Otter mit einem besonders langen Schlepprahmen und in anderer Richtung sitzendem Schneidgreifer gezeichnet. Bei der Darstellung auf einem Schiffsmodell ist zu beachten, daß die empfindlichen Schwanzstücke der Ottern wie auch die Schneidgreifer beim normalen Bordbetrieb stets mit Persenning-Bezügen abgedeckt waren.

Die übrigen auf den Blättern dargestellten Schwimmer, Drachen und Bojen wurden bei den verschiedenen Schlepp-Räum-Technologien verwendet. Die Buchstabenbezeichnungen zeigen z.B. an, auf welchen Räumfahrzeugen die Geräte gefahren wurden: R = Räumboote, M = Minensuchboote und P = Räumpinassen. Die Schleppleinen waren immer Stahlseile. Damit die Drehwirkung dieser rechts- oder linksgeschlagenen Seile sich nicht auf die Geräte übertrug, waren fast immer Wirbelschäkel (s) vorgeschäkelt. Beim „Holz-Giebeldrachen für schweres Räumgerät“ sind zwischen dem Stander (t) und dem Drachen zwei unterschiedlich lange Schenkel eingeschäkelt. Damit diese beim Klarmachen zum Wurf an Deck nicht verwechselt werden, hat der kürzere vordere Schenkel (u) drei Kettenglieder und der hintere lange Schenkel (v) zwei Kettenglieder.

Die Schwimmer tragen über Schwimmerstander (w) die Scherdrachen. Sie haben Lampen an der Oberseite, damit man ihren Lauf an der Wasseroberfläche beobachten kann. „Schwimmer P“ und „Schwimmer M“ tragen sogar Flaggen. Die Scher- und Steuerflächen sind nach Skala einstellbar. Sie erhöhen bei zunehmender Geschwindigkeit den Auftrieb. Beim Schwimmer „R“ ist das keilförmige Vertikalruder am Heck zahnförmig ausgeklinkt. Soll eine einseitige Scherwirkung erreicht werden, werden die Zahnausschnitte der einen Seite mit einem Blech abgedeckt.

Beim „Scherdrachen R“ (hier Backbordausführung) habe ich den angeschäkelten Schwimmerstander hoch zum Schwimmer (w) mit gezeichnet. Das Stahlgewicht (x) hängt nach unten. Der „Scherdrachen M“ ist hier ebenfalls als Backbordgerät gezeichnet. Er kann aber zum Steuerbordgerät umgebaut werden. Dazu wird das Gewicht (x) an die andere Seite der Scherfläche (y) geschraubt, das Steuer am Heck (z) umgestellt, das Tiefenblech (a´) ebenfalls auf die andere Seite gestellt und der Schwimmerstander (b´) an die andere Seite geschäkelt.

Die nächste Gruppe sind die Tiefensteuerdrachen. Sie ziehen die verschiedenen Räumgeräte auf eine befohlene Tiefe; sie „versenken“ das Räumstell. Giebeldrachen sind dachförmig aus Holz gebaut und haben vorn jeweils schwere Gußgewichte. Bei den T.S.G.- und O.G.G.-Geräten kann der Tiefenzug durch das Einschäkeln des 1-Meter-Standers in mehrere Bohrungen (c´) einer Lochschiene bestimmt werden. O.G.G. ist eine fast vollständig geschweißte Ausführung und hat im Gegensatz zu T.S.G. nur drei Stabilisierungsflächen mit einer Ringverbindung am birnenförmigen Schwimmkörper. Wie tief ein Tiefendrachen das gesamte Räumstell zieht, kann durch die Länge der Drachenleine bestimmt werden.

Geräuschbojen werden gegen akustische Minen zum Einsatz gebracht. Es gab zwei Bauformen: die Ausführung „Turbine“ und eine mit vierkantigem Gehäuse-Vorderteil. Die „Turbine“ wurde wegen der charakteristischen Form auch Mandoline genannt. Mit den oberen Ösen am Hinterteil konnten diese Geräuschbojen auch am unteren Ende einer Klappspiere nach Abb. 5 befestigt werden. Ein Propeller (d´) in einer Ringdüse (e´) treibt durch den Fahrstrom ein Hammer-Schlagwerk im Innern der „Trommel“ (f´). Das ganze ähnelt einer überdimensionalen Fahrradklingel. Die Flügel des Propellers werden vor dem Zu-Wasser-Lassen eingestellt und somit ist eine Änderung der Schlagfrequenz nur noch durch verschiedene Fahrstufen möglich. (Moderne Schallerzeuger haben einen eingebauten E-Motor, dessen Drehzahl vom Minensucher aus ständig verändert werden kann.) Das Schlagwerk erzeugt so starke Geräusche (Rabatzboje!), daß die Sensoren der Minen, die eigentlich Motoren- und Propellergeräusche hören wollen, vorzeitig darauf ansprechen. Das Scherbrett ähnelt einem Scherbrett, wie es auch in der Fischerei verwendet wird. Daneben gab es noch sog. Jalousiedrachen, welche ebenfalls als Scherdrachen gefahren wurden. Wobei zu sagen ist, daß ohnehin viele Techniken aus der Fischerei, etwas abgewandelt, auch für die Minensuche übernommen wurden.

Abb. 3 zeigt ein mechanisches Räumgerät, zweiseitig geschleppt von einem Minensucher zum Einsatz gegen Ankertau-Minen. In die Räumleinen sind hier je Seite vier Sprenggreifer (Abb. 4 C) eingeschäkelt. Sprenggreifer werden eingesetzt, wenn das Minen-Ankertau aus sehr starkem Drahtseil gemacht ist oder wenn es unter dem Minengefäß gar einen nichtschneidbaren Kettenstander gibt. Beides – auch die Seilstücke vor und hinter dem Sprenggreifer - werden von der Sprengladung zerrissen. Weil die Sprengwirkung dabei mehr nach vorn gerichtet ist, kann das Seilstück hinter dem Sprenggreifer kürzer, nur 1 Meter lang, sein. Damit die Leinenverbindung nach der Sprengung bestehen bleibt, ist hinter jedem Sprenggreifer eine 10 Meter lange Umgehungsleine geschäkelt. Direkt vor dem Scherdrachen sitzt ein konventioneller Doppelgreifer (Abb. 4 B); ein Sprenggreifer würde auch den Drachen zerstören. Auf Tiefe gehalten wird das Räumgeschirr (Räumstell) vom einem T.S.G.-Drachen, welcher von einer eigenen Drachenleine gezogen wird. Vor der Räumwinde sind in die Räumleinen Zugmesser (Federwaagen) eingeschäkelt. Ein Mann, der Posten Räumgerät,  beobachtet ständig den Zug der Leinen. Wird ein bestimmter Wert überschritten (bei Gefahr), kann er die Schleppverbindung sofort kappen (slippen).

Abb. 4 A zeigt einen alten einseitigen Flügel-Greifer (Leinenschneider). Die Stabilisierungsfläche sorgt dafür, daß die Schneiden-Seite immer nach vorn gerichtet ist. Ursprünglich, als man noch keine Leinenschneider kannte, wurde das Minen-Ankertau allein durch die enorme Reibung an der Räumleine zerschnitten (gesägt!).

Ich möchte mich beim Fregattenkapitän (Ing.) a.D. Egon Wirth für seine wertvolle Hilfe beim Zustandekommen dieses Beitrages herzlich bedanken.

Weiterführende Literatur:

-      „Die deutschen Marinen im Minenkrieg“ Bd. 1, Koll., 2006, ISBN 3-8334-4330-8

-      „Hochsee-Minensuchboote 1939-1945“, Karl Meyer, 2004, ISBN 3-8132-0819-2

-      „Sperrgast“, Koll., 1975

-      „Deutsche Minensucher“, Reinhart Ostertag, 1986, ISBN 3-7822-0394-1

-      „Die Seemine“, Gerhard Freiherr von Ledebur, 1977, ISBN 3-469-00306-8

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