Raketen-Vierfachkomplex „TPK 1520“

 

rocket-quadruble-launcher "TPK 1520"

 

Ab Mitte der 70er Jahre erfolgte bei der US-Navy die Einführung der Schiff-Schiff-Flugkörper (SSM) des Typs HARPOON (RGM-84). Von HARPOON sind inzwischen Zahlen hinlänglich bekannt (4): Länge 4,628 oder 3,848 m, Durchmesser 343 mm, Reichweite 124 km, 227 kg Sprengstoff, Startmasse der Rakete 681 kg, Spannweite 914 mm, Fluggeschwindigkeit 0,85 Mach. Als Pendant zu dieser Raketenwaffe entwickelte die Sowjetunion später die Feststoff-Seezielrakete Ch-35 „URAN“ (NATO-Code: SS-N-25 „Switchblade“). Von der „URAN“ sind ebenfalls Zahlenangaben bekannt (1)(3): Länge 4,4 m, Durchmesser 420 mm, Reichweite 130 km, 145 kg Sprengstoff, Startmasse der Rakete 600 kg, Spannweite 1.300 mm, Fluggeschwindigkeit 0,9 Mach. Die beiden Waffen sind zumindest nach diesen Zahlenangaben nahezu gleichwertig. Bei der Sowjetmarine plante man den Einsatz der „URAN“ auch von kleineren Kampfschiffen aus (2). Als vorläufig letztes Projekt vor der Wiedervereinigung Deutschlands hatte die Peene-Werft in Wolgast als Gemeinschaftsprojekt daher das Raketenschnellboot Projekt 151 (NATO-Code: BALCOM-10) zu entwickeln und erste Boote zu bauen. Die Werft erhielt dafür Dummy´s der „URAN“ und andere Unterlagen. Die Konstrukteure entwickelten danach ein Untergestell und einen kombinierten Lager-, Transport- und Startcontainer aus seewasserbeständigem Leichtmetall, welcher zu mehreren auf dieses Untergestell aufgebaut werden konnte. Ursprünglich war die Erhöhung der Container für den Moment des Starts von sowjetischer Seite auf 18° festgelegt. Bei dieser relativ flachen Schräglage konnte man ein starres Untergestell konstruieren. Weil aber bei dieser Lage der Start vorbei an den Brückennock´s problematisch gewesen wäre, wurde später die Starterhöhung auf 35° verändert. Ursprünglich sollte der Wechsel der Container auf ein festes Untergestell mit dieser Schräglage erfolgen. Dabei gab es jedoch stets Probleme. Deshalb entwickelte man in Wolgast ein hydraulisch mit einer Handpumpe (!) aufzurichtendes Untergestell. Meine Zeichnungen zeigen diese Variante. Am Ende sollten alle Boote mit diesen Untergestellen in Dienst gehen.

Die Startcontainer sind - wie auch jene für die HARPOON - kreisrunde Rohre (760 mm Außendurchmesser) mit für den Start nach oben zu öffnenden Deckeln an den Enden. Die Raketen können in diesen Behältern, gefüllt mit einem speziellen Gas, lange Zeit gelagert werden. Die „Stapelbarkeit“ wird mit je zwei auf den Drittelgrenzen angebrachten Rahmen (1000 x 880 mm) (a) erreicht. Damit die Container exakt übereinander passen, sind an den Rahmenecken Paßwinkel (b) angebracht und es gibt Paßstifte. Nach dem Verschuß der Rakete kann der jeweilige Container nach dem Lösen von ein paar Schrauben mit einem Hebezeug, welches in Paßbohrungen (c) eingreift, schnell gewechselt werden. Hinten, etwas schräg nach unten angeordnet, befinden sich mehrere Kabel-Anschlüsse (d, Schnitt A-A) am Container. Hier werden die Startkabel angeschlossen. Auf dem Vierfach-Komplex kann man auf einigen Fotos eine Leiter (e) sehen. Sie liegt mit zwei Trägern (f) lösbar auf den Rahmen auf. Weiterhin kann man auf Fotos oben auf dem Vierer-Komplex jeweils ein auswechselbares Rohr mit einer Sprühdüse für die Deckwaschanlage erkennen.

Den Schnitt J-J habe ich nach meinen Unterlagen (Werftzeichnungen) gezeichnet. Danach kann es nur so sein, daß die Raketenachse leicht unterhalb der Achse des Containers liegt. An der Oberseite ist innen eine Profilschiene angebracht. In dieser Schiene hängt die Rakete mit vier Nasen (g). Eine ähnliche Aufhängung ist für die Torpedos in den Torpedorohren bekannt. Alle acht Flügel- bzw. Steuerflächen der Rakete sind nach innen gefaltet (Schnitt J-J). Erst wenn die Rakete den Startcontainer verlassen hat, klappen die Flächen nach außen. Die Rakete „URAN“ hat ein Startriebwerk (h), welches nach Leerbrand abgeworfen wird. Die vier Steuerflächen an diesem sind im Container jedoch nach vorn geklappt. Über die Halterungen (j) an der rechten Seite an den Containern ist mir nichts bekannt.

Das Untergestell besteht aus mehreren Teilen. Auf das Bootsdeck ist zum Ausgleich von Balkenbucht und Deckssprung ein Stahl-Rahmen (k, Schnitt D-D) aufgeschweißt. Darauf liegt der Rahmen (l, Schnitt C-C) als Fußpunkt für den Hydraulikzylinder (m) und mit den Scharnieren (n). Hier ist der obere Rahmen (o, Schnitt B-B) eingehängt, auf dessen Paßflächen (p) schließlich die Container liegen. Vorn sind an diesem Rahmen zwei Stützen (q) angeschweißt und an diesen an einem Scharnier herunterklappbar ein Stützenrahmen (r). Hinter der Raketenstartanlage befindet sich auf dem Boot Typ 151 auf Deck ein Strahlabweiser. Auf diesem sind vier Stahlplatten aufgeschweißt und darunter Platten aus besonders hitzebeständigem Material für den Fall, daß eine Rakete im Container stecken bleibt und der Start-Booster komplett leer brennt.

1989 wurden 12 Versuchsmuster des Vierfach-Startkomplexes an die UdSSR übergegeben. Zwei Stück davon wurden auf einem Raketenschnellboot der MATKA-Klasse, im Westen als MATKA mod-Klasse bekanntgeworden, getestet. Die UdSSR hatte bis 1990 149 Stück bestellt und ab 1991 pro Jahr einen Bedarf von 250 (!) Stück angemeldet. Zu Gunsten anderer Raketensysteme verzichtete die Sowjetunion und heute die russische Marine auf den massenhaften Einsatz der „URAN“. Nur auf den beiden Fregatten der TATARSTAN-Klasse kamen noch vier Komplexe zum Einbau (5). Dagegen sieht man heute auf diversen indischen Kampfschiffen, welche die SS-N-25 an Bord haben, Startkomplexe, die man nur als „Abkömmlinge“ der Konstruktion aus Wolgast sehen kann (5). Zu nennen sind hier die drei modernen Zerstörer der DELHI-Klasse und die jeweils drei Fregatten der BRAHMAPUTRA- und KIRCH-Klassen, die Einzelfregatte KORA (nur 1.400 t!) und die vier Raketen-Korvetten der PRALAYA-Klasse (das sind TARANTUL-Weiterentwicklungen, vgl. MODELLWERFT 9/2007). Jedes dieser Fahrzeuge hat vier Vierfachstarter an Bord. Die Untergestelle sind stets starr. Kaum von Bedeutung, doch immerhin erwähnenswert: auch die beiden in Rußland für Vietnam gebauten Flugkörper-Korvetten des Typs HQ381 tragen je acht SS-N-25. Von den drei von Polen übernommenen Booten des Projekts 151 fährt nur eines, die PIORUN, Raketen. Jedoch nicht die „URAN“, sondern acht schwedische RBS-15, welche – natürlich – auch auf allen modernen schwedischen Raketenschnellbooten und –korvetten zu sehen sind.

Ich möchte mich bei Herrn Klaus Dieter Rex für die Mühe bedanken, mir die Ausstellungsstücke in Peenemünde zu fotografieren.

Planausschnitt / plan section

Eine URAN-Seezielrakete auf einer Messe in Rußland (Foto: Olaf Pestow)

Übernahme eines Vierer-Container-Bündels mit einem Kran (Foto-Sammlung: Olaf Pestow)

Das Null-Boot SASSNITZ bei Werfterprobungen (Foto-Sammlung: Olaf Pestow)

Einer der beiden in Peenemünde ausgestellten Startkomplexe, im Vordergrund liegt ein sog. Masse-Dummy (Foto: Olaf Pestow)

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