11,5-m-Chefboot (Kriegsmarine)

11,5-m-captains-boat (Kriegsmarine)

Planausschnitt / plan sections

Fotos von einem "übriggebliebenen", sehr gut gepflegten Chefboot der Kriegsmarine im Kieler Tirpitzhafen im Jahre 2006.

Die HANNES wird von einem Mitglied der RK Marine gepflegt und betreut. Weitere Informationen zur RK Marine Kiel finden Sie auf der Homepage: www.rk-marine-kiel.de

Herr Ferdinand Sparenborg hat neulich nach meinen Zeichnungen ein wunderschönes Modell in rund 380 Arbeitsstunden im Maßstab 1:12,5 gebaut:

 

(Danke für die Fotos)

Chefboot der Kriegsmarine

Neben anderen Motorbarkassen war bei den größeren Einheiten der deutschen Kriegsmarine auch stets ein sog, Chefboot an Bord. Es diente ausschließlich für den repräsentativen Transport der Herren der Schiffsführung und war entsprechend elegant gebaut. Die Linienführung mit langer Back und sanft abschwingender Achterdeckslinie entsprach dem Schönheitsempfinden der damaligen Zeit. Die Form dieser Barkassen hatte sich seit der Zeit der Dampfbeiboote nur unwesentlich geändert und ähnelte entsprechenden Bauten des zivilen Sektors. Die Chefboote waren relativ schlank (11,52 m Länge über die Steven bei 2,60 m Breite auf Blanken). Sie hatten damit ein Längen/Breiten-Verhältnis von 1:4,4. Die mit ebenfalls 11,52 m Länge völligeren Verkehrsboote hatten als reine Arbeitsboote ein solches Verhältnis von 1:3,7. Die Boote waren angetrieben von einem Dieselmotor Typ „DWK 4t 6z DM“ mit einer effektiven Leistung von 75 PS (ich vermute, die Bezeichnung 4t 6z bedeutet: 4-Takt-Motor, 6 Zylinder). Er ermöglichte eine Geschwindigkeit von 12 kn. Die Besatzungsstärke ist mit 30 Mann angegeben. Das Boot wog mit allen Ausrüstungen 6,745 t; die Zuladung maximal 2,925 t. Die maximale Gesamtverdrängung betrug also fast 10 ts. Die Boote waren aus Holz (Eiche) gebaut, diagonal-krawel beplankt und hatten lange Scheuerleisten.

Offenbar gab es Boote mit und – wie in meiner Zeichnung dargestellt – ohne Schornstein. Bei der Schornstein-Variante stand dieser (etwa 1 m hoch und 60 cm breit) mit leichtem Fall in der Mitte der vierteiligen Windschutzscheibe. Deshalb war der Steuerstand dabei leicht nach Backbord versetzt. Diesen Versatz behielt man auch bei den Booten ohne Kamin bei. An der Steuerbord-Seite war an der Stelle die Tür zum Motorraum. Damit dieser Einstieg eine ausreichende Höhe bekam, hatte er ein schräges Dach und der Boden der Steuerplicht hatte im Schwenkbereich der Tür eine 350 mm hohe Vertiefung (vgl. Draufsicht und Schnitt B-B). Am Boden des Steuerstandes liegt eine Gräting. Rechts daneben ragt der Umsteuerhebel des Boots-Wendegetriebes heraus. Ein verdeckter Kettentrieb fährt vom Handrad zur Kardanwelle an der Backbord-Seite des Rumpfes (B-B). Diese Welle überträgt die Lenkbewegungen zum Ruderquadranten unter dem Heckdeck. Am Heck gab es eine offene Plicht (in der Literatur auch „Cockpit“ genannt) mit lederbezogenen Sitzbänken. Das geschlossene Cockpit lag davor. Das Spiegelheck war V-förmig geschnitten und stand leicht schräg.

Auch dieses Boot hat auf der „Back“ eine große Luke für einen möglichen Motorenwechsel. Darauf liegt in einer Halterung der Rettungsring. Davor ist ein Mannloch, offenbar als Zugang zur Vorpiek, angeordnet. Als eigenständiges, motorisiertes Wasserfahrzeug konnte eine komplette „Befeuerung“, bestehend aus Seitenlaternen mit Lichtkästen, „Dampferlicht“ (in der Mitte oben auf der Windschutzscheibe) und einem Hecklicht auf der hinteren Reling für Nachtfahrten aufgebaut werden. Beim normalen Bordbetrieb, auf jeden Fall beim Zurrzustand auf dem Kriegsschiff sind diese Teile jedoch entfernt. Das trifft auch für die Flaggstöcke und die Haltestange in der Mitte der Back zu.

Auch bei diesem Boot ist der Bronze-Festpropeller zum Schutz gegen Grundberührungen mit einer Ruderhacke umschlossen. Meine Zeichnungen stellen in einigen Teilen eine Rekonstruktion dar. Es waren so gut wie keine aussagefähigen Fotos vorhanden! Die Rumpflinien habe ich in Anlehnung an andere ähnliche Bootsformen mit Straklatten und –gewichten im M 1:10 selbst gestrakt. Bei den übrigen Einrichtungen habe ich mich auch gern an die Zeichnungsdarstellungen im Buch „Brix-Bootsbau“ gehalten. Beim Verein der Reservisten Kiel läuft heute ebenfalls noch ein Chefboot – dort als Admiralsbarkasse bezeichnet – mit dem Namen HANNES (www.rk-marine-kiel.de ). Dieses Boot hat einen 4-Zylinder-Dieselmotor „SA4M517“  von 70 PS Leistung (1.200 U/min) von der Klöckner-Humboldt-Deutz AG Köln aus dem Jahre 1936.

Jürgen Eichardt

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